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Rezension: IREB-Handbuch zum agilen Anforderungsmanagement (RE@Agile)

Zusammenfassung: Auch wenn inzwischen Englisch die Verkehrssprache im Engineering ist, kann es angenehmer sein, Fachliteratur auf Deutsch zu lesen. Insofern wird es viele Leser freuen, dass das gerade veröffentlichte IREB-Handbuch zum agilen Anforderungsmanagement in beiden Sprachen erhältlich ist.

Zielgruppe: Ausbildungsanbieter, die Seminare oder Schulungen zu RE@Agile gemäß IREB-Standard anbieten möchten. Entscheider, die beurteilen wollen, ob RE@Agile für ihr Team geeignet ist. Interessierte, die den Inhalt des Lehrplans verstehen wollen.

Bewertung: ★★★★☆ Auf ca. 100 Seiten stellt das Handbuch die Inhalte vom agilen Anforderungsmanagement kompakt und klar dar, was den Zweck hervorragend erfüllt: Es ist das Bindeglied zwischen Lehrplan und weiterführender Literatur und kann in ein paar Stunden konsumiert werden. Es darf nicht als Lehrbuch missverstanden werden, aber die Autoren machen an vielen Stellen deutlich, dass es keines ist.

Erwerben: Das Handbuch kann auf Deutsch und Englisch kostenlos von der IREB-Webseite heruntergeladen werden.

Details: Bis vor ca. 15 Jahren waren Anforderungsmanagement und agile Entwicklung zwei getrennte Disziplinen. Doch inzwischen sind sie zusammengewachsen. Wie es dazu kam wird im kurzweilig geschriebenen Kapitel 1 beschrieben. Den historischen Kontext zu kennen ist hilfreich, um die Praxis besser zu verstehen und in der Praxis alle Stakeholder ins selbe Boot zu holen.

In Kapitel 2 geht es keinesfalls nur um „Projekte erfolgreich starten“, wie der Titel etwas irreführend suggeriert. Statt dessen geht es um wichtige Grundlagen, wie Ziele, Stakeholder und Systemumfang. Ebenfalls behandelt wird das wichtige Thema Änderungen, welches gerade im agilen Umfeld unumgänglich ist. Hierbei werden nicht nur die theoretischen Grundlagen vorgestellt, sondern konkrete Techniken, die in der Praxis eingesetzt werden können. So lernt der Leser, dass sich ein Systemkontext sowohl in der Form eines Diagrams / Modells, oder in natürlicher Sprache festhalten lässt.

Ein wichtiger Aspekt eines jeden Systems ist dessen Funktionalität, und diesem Thema ist Kapitel 3 gewidmet. Verglichen mit dem vorhergehenden Kapitel ist es etwas weniger praxisnah. Das liegt vielleicht daran, dass viele Entscheidungen bezüglich des Umgangs mit funktionalen Anforderungen schon sehr Projektspezifisch sein kann. Dennoch gibt es einige Praxisbeispiele. Die weiterführende Literatur muss hier auf jeden Fall für eine Vertiefung konsultiert werden.

Nicht-Funktionale Anforderungen sind schon lange out – sinnvoller ist es, mit Qualitätsanforderungen und Randbedingungen zu arbeiten. Um diese geht es in Kapitel 4. Hier wird es wieder ein gutes Stück konkreter, zum Beispiel durch Listen von Klassen von Qualitätsanforderungen oder Randbedingungen. Es wird anschaulich verdeutlicht, wie wichtig diese Kategorie von Anforderungen für den Projekterfolg ist.

Wenn wir unsere Anforderungen kennen, müssen diese umgesetzt werden. Dazu müssen diese priorisiert und abgeschätzt werden, was in Kapitel 5 beschrieben wird. Wir bewegen uns also vom Inhalt zum Prozess. Hier wird auch die Brücke zum Geschäftswerts geschaffen. Denn schließlich sollen erfolgreiche Produkte entwickelt werden, und der Erfolg wird auf Geschäftsebene gemessen. Auch hier helfen wieder Listen und Techniken, den Praxisbezug herzustellen.

Damit ist das Kernwissen vermittelt. Es gibt allerdings noch Kapitel 6, welches sich mit Skalierung auseinandersetzt. Denn gerade größere Organisationen, sind am strategischen Einsatz von agilen Vorgehensweisen interessiert. In diesem Kapitel werden Planungswerkzeuge vorgestellt, sowie „Komplettlösungen“, wie bspw. das Scaled Agile Framework (SAFe).

Kleine Schwächen

Ich habe das Buch mit vier von fünf Sternen bewertet. Das liegt an ein paar kleineren Schwächen. Zum einen merkt man beim Lesen doch, dass hier verschiedene Autoren am Werk waren, was den Lesefluss manchmal ein bisschen stört. Zum anderen hätte ich mir doch gewünscht, dass ein bisschen auf die Rolle der verwendeten Werkzeuge eingegangen wird. Zwar wird an vielen Stellen erwähnt, dass es entsprechende Werkzeuge gibt, und dass deren richtiger Einsatz strategische Bedeutung hat. Dennoch hätte ich mir auch hier weitergehende Unterstützung gewünscht, bspw. in der Form von Auswahlkriterien und Kosten-Nutzen-Abwägungen.

Fazit

Das RE@Agile – Handbuch ist geeignet um in kurzer Zeit einen guten Überblick über die Materie zu bekommen. Dabei wird es an vielen Stellen erfreulich konkret, was die Theorie und Praxis zusammenhält.

Ein Überblick aus 100 Seiten kann natürlich keine Fachliteratur ersetzen, und das Handbuch will das auch nicht tun. Statt dessen hilft es, die richtige Literatur für die Vertiefung von bestimmten Themen zu finden. Und natürlich ist es auch Werbung für den IREB und deren Zertifikate, denn das IREB erhofft sich bestimmt, dass sich möglichst viele Mitarbeiter IREB-zertifiziert weiterbilden.

Michael Jastram

Creator and Author of SE-Trends