TdSE 2020: Komplexität beherrschen durch Systems Engineering
Gestern begann der Tag des Systems Engineering (TdSE), die jährliche Veranstaltung der Gesellschaft für Systems Engineering (GfSE). Korona-geprägt findet die Konferenz dieses Jahr online statt. Auch wenn das die Veranstalter vor große organisatorische Herausforderungen stellt, macht dies trotzdem die Konferenz ein gutes Stück zugänglicher. Zum einen wird dadurch Reisen unnötig, zum anderen sind die Tickets ein gutes Stückgünstiger als sonst.Ich werde übrigens selbst aktiv an der Veranstaltung teilnehmen und Freitag Vormittag den SysML-Track moderieren.
Das Motto der Veranstaltung ist: Komplexität beherrschen durch Systems Engineering. Und im folgenden fasse ich im Folgenden zusammen, wie die Veranstalter auf dieses Motto gekommen sind, und was es für die GfSE bedeutet.
TdSE 2020 virtuell
Wie auch schon beim ProStep ivip Symposium dieses Jahr hatten die Veranstalter des TdSE ein eigenes Studio (siehe Bild), aus dem Christian Tschirner die Konferenz moderierte. Auch die Eröffnungskeynote hielt Walter Koch im Studio.
Für die Teilnehmer gab es einen per Login geschützten Bereich mit Lounge, Sponsorbereichen und mehr. Etwas ärgerlich: Das System unterstützt nicht mehrere offene Reiter. Dadurch ist es bspw. nicht möglich, einem Sponsor eine Frage zu stellen und gleichzeitig in der Lounge zu diskutieren. In der Konferenzsoftware selbst (WebEx) ging der Chatverlauf bei einem Neustart verloren. Aber das sind Kinderkrankheiten mit denen wir sicher leben können.
Komplexität beherrschen
In seiner Eröffnungskeynote sensibilisierte Walter Koch uns zum Thema Komplexität am Beispiel von Home Entertainment und Entwicklung im Automotive-Bereich. 1950 hatten wir ein einziges Fernsehprogramm, heute sind wir bei hunderten von Programmen, die mit Abspielgeräten, Smartphones, Receivern und vielem mehr ein komplexes System bilden. Allerdings bin ich überzeugt, dass alle Zuschauer in ihrem Arbeitsleben täglich mit Komplexität konfrontiert werden. Das ist sicher ein Hauptgrund, GfSE-Mitglied zu sein und an der Konferenz teilzunehmen.
Die nächste Frage war, was wir mit „beherrschen“ eigentlich meinen, denn hier gibt es verschiedene Interpretationen. Doch konkret meinen wir in der Regel „unter Kontrolle halten“. Bis vor nicht zu langer Zeit war das kein allzu großes Problem. Doch seit dem Einzug von Software in die Produktentwicklung steigt die Komplexität schneller als die Mittel mithalten können, die die Produktkomplexität zu beherrschen versuchen. Das ist eine Herausforderung. Wie kann Systems Engineering hier helfen?
Eine Herausforderung nicht nur in der Produktentwicklung
Hier müssen wir einen Schritt zurückgehen, dann uns begegnet das Problem Komplexität nicht nur in der Produktentwicklung, sondern auch in soziotechnischen und sozialen Systemen. Überall dort, wo es mehr beteiligte Elemente gibt, die sich gegenseitig beeinflussen, stehen wir vor dieser Herausforderung. Dazu gehören bspw. das Management in unternehmen, oder auch die Gesellschaft durch den Einfluss der Politiker.
Die letzten Beispiele zeigen deutlich, warum ein neues Werkzeug, oder auch eine neue Sprache (Stichwort: SysML) gar nicht die Lösung sein können. Das ist insofern wichtig, weil viele Betroffene das allzu häufig als Antwort vorschlagen.
A fool with a tool is still a fool
Was erfahrene Systems Engineers längst wissen: Ohne eine Beherrschung der Methoden gibt es keinen Erfolg.
… kein Ende in Sicht
Wir haben also ein Problem (steigende Komplexität). Hier ist kein Ende in Sicht. Hier müssen wir zwei bittere Wahrheiten schlucken:
- Die Steigerung der Komplexität wird bis auf weiteres nicht enden
- Nicht jeder Mensch erlernt und beherrscht SE-Methoden und Sprachen
Auch wenn wir uns Ingenieure nennen, so müssen wir verstehen, dass nicht das Engineering im Vordergrund steht und diese Herausforderungen lösen kann. Das Problem ist größer. Daher brauchen wir Systemdenken. Das ist eine Disziplin, die auch außerhalb des Systems Engineering relevant ist, aber leider (noch) nicht in der Breite gelehrt wird.
Die Lösung
Es gibt leider keine Wunderpille oder Abkürzung, um dieses Problem zu lösen. Statt dessen brauchen wir passende Weiterbildungsprogramme. Und damit schließt sich der Kreis wieder zurück zum GfSE und zum TdSE. Schließlich ist der TdSE eine offene und erschwingliche Veranstaltung, die das Systems Engineering demokratisiert. Die GfSE selbst organisiert neben dem TdSE noch viele andere Aktivitäten, die für die Verbreitung von Systemdenken sorgen. Dazu gehören Forschungsprojekte. Arbeitsgruppen, Studentenwettbewerbe und vieles mehr.
An dieser Stelle rief Walter Koch noch einmal ausdrücklich auf, sich aktiv in der GfSE zu engagieren. Der gemeinnützige Verein ist auf inzwischen über 800 Mitglieder angewachsen. Wer aktiv etwas beisteuern möchte ist willkommen.
Noch schnell beim TdSE 2020 anmelden
Dieser Artikel wird am zweiten Tag des TdSE 2020 veröffentlicht, dem 19.11.2020. Alle Leser sind eingeladen, sich noch schnell anzumelden, Tickets gibt es ab €25. Und da es eine virtuelle Veranstaltung ist, sitzt jeder in der ersten Reihe. Und nicht vergessen: Am Freitag, dem 20.11.2020, moderiere ich den SysML-Track mit Sanford Friedenthal, Tim Weilkiens und vielen anderen Experten.
Bildquelle: TdSE 2020