Rezension: The Alliance: Managing Talent in the Networked Age
In dieser Rezension bespreche ich das Buch The Alliance, welches ich vor kurzem in dem Artikel Haben deutsche Autos eine Zukunft? erwähnt hatte. Das Buch ist durchaus kontrovers. Um es vorwegzunehmen, der darin beschriebene Ansatz wird wahrscheinlich Betriebsräte und Gewerkschaften mobilisieren, weil es de Facto Zeitverträge die Regel machen würde. Gleichzeitig ist es auch ein Aufruf zu mehr Ehrlichkeit im beruflichen Miteinander. Das ist notwendig, um im heutigen aggressiven Markt wettbewerbsfähig zu bleiben.
Zusammenfassung: In diesem Buch geht es nicht um Systems Engineering. Statt dessen geht es darum, wie Arbeitnehmer und Arbeitgeber eine ehrliche Partnerschaft aufbauen können, die beiden Parteien zu Gute kommt. Diese Alliance ist in zweierlei Hinsicht relevant für SE: Zum einen wurde hier schon mehrfach geschrieben, wie wichtig der menschliche Faktor im SE ist. Zum anderen sind Systems Engineers (und die Leser dieses Blogs) gefragte Fachleute, die derart gemanagt werden müssen, dass sie ohne Frust effektiv arbeiten können.
Der Lösungsansatz ist vom Prinzip her einfach: Beide Parteien einigen sich auf eine 2-5 Jahre dauernde „Tour of Duty“. Diese hat ein definiertes Ende und ein klares Ergebnis, welches dem Arbeitgeber nützt und den Marktwert des Arbeitnehmers stärkt. Nach einer Tour folgt entweder die nächste, oder der Arbeitnehmer wechselt in eine andere Abteilung – oder Firma – für die nächste Tour of Duty.
Zielgruppe: Führungskräfte, talentierte Mitarbeiter, unternehmerisch denkende Mitarbeiter.
Lesen Sie weiter um zu erfahren, wie viele Sterne ich dem Buch gegeben habe.
Bewertung: ★★★★★ Ich war schon immer ein Freund von Ehrlichkeit und Integrität. Dieses Buch räumt mit einer Lüge auf, die sowohl Arbeitgebern als auch Arbeitnehmern schadet. Der vorgeschlagene Lösungsweg dürfte gerade in Deutschland als kontrovers angesehen werden und lässt sich hier sicher nicht wie beschrieben umsetzen. Aber dennoch ist dieses Buch wichtig, denn es regt eine längst überfällige Diskussion an.
Autoren: Reid Hoffman, Ben Casnocha, Chris Yeh
Erwerben: Das Buch gibt es nur in englischer Sprache in den üblichen Formaten (The Alliance bei Amazon)
Webseite: Es gibt eine eigene Webseite zum Buch: www.theallianceframework.com
Details: Das Buch beginnt mit der Lüge, die im US-amerikanischen Umfeld noch viel ausgeprägter ist als in Deutschland: Ein neuer Mitarbeiter hat den ersten Arbeitstag, und die Chefin erzählt ihm, dass die Firma eine „große Familie“, die den Einzelnen nicht im Stich lässt. Doch beim Gespräch mit der Personalabteilung am Nachmittag wird ihm kurz erklärt, dass er auch nach der Probezeit mit einer Frist von 14 Tagen gekündigt werden kann, auch ohne Grund. Dass die Chefin – und viele andere Beteiligte –das alte Bild der „Firma als Familie“ aufrechterhält ist ein Problem in vielerlei Hinsicht. Denn die Antwort eines Mitarbeiters ist, dass Loyalität nur vorgegaukelt wird. Das hier beschriebene Problem wurde von einem der Autoren, Reid Hoffman, als Basis für das Geschäftsmodell der von ihm mitbegründeten Firma aufgenommen, LinkedIn.
Tour of Duty
Im Buch geht es um die Alliance zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Die Autoren schlagen vor, die „Lüge“ der lebenslangen Anstellung zur Seite zu legen und statt dessen die Zeit beim Arbeitgeber in „Tours of Duty“ zu strukturieren. Dieser aus dem Militär stammende Begriff besagt, dass die zwei Parteien nur für begrenzte Zeit zusammenarbeiten, um ein für beide wichtiges Ziel zu erreichen. Für den Arbeitgeber ist dies etwas, was sich direkt oder indirekt auf den Geschäftserfolg auswirkt: Ein neues Produkt auf den Markt bringen, einen Markt zu erschließen, etc. Für den Arbeitnehmer ist dies etwas, was ihm beruflich erfüllt und voranbringt. Um eine sinnvolle Tour of Duty zu definieren ist es daher für beide Parteien wichtig, klare Ziele und Leitprinzipien zu haben. Die Tour sollte in wesentlichen Teilen die Ziele beider Parteien widerspiegeln. Weiterhin sollte das Ergebnis messbar sein.
Dieses Vorgehen führt dazu, dass sowohl Arbeitgeber und Arbeitnehmer motiviert sind, das Ziel zu erreichen und damit beiden zu helfen. Damit wird auch das Risiko drastisch reduziert, dass ein Mitarbeiter zu einem ungünstigen Zeitpunkt das Projekt oder die Firma verlässt. Denn auch für den Mitarbeiter ist es wesentlich attraktiver, eine Tour sauber abzuschließen, da er dann diese als Erfolg auf dem Lebenslauf vermerken kann.
Eine Tour macht es weiterhin wesentlich einfacher, offen über den weiteren Werdegang zu sprechen, egal ob mit einer weiteren Tour, oder in einer Firma. Hier wird dann auch auf die von vielen Firmen erfolgreich genutzten Alumni-Netzwerke eingegangen, die übrigens nicht selten auf LinkedIn organisiert werden.
Drei Arten von Tours of Duty
Es werden drei Arten von Tours unterschieden:
- Rotational – Diese Tour wird oft für neue, bzw. unerfahrene Mitarbeiter eingesetzt. Der Mitarbeiter durchläuft in einem festgelegten Zeitrahmen ein festes Programm, um sich bestimmte Kenntnisse anzueignen.
- Transformational – Diese Tour ist personalisiert und bezieht sich in der Regel auf eine konkrete Mission (bspw. Product Launch), die sowohl die Firma als auch den Mitarbeiter positiv „transformiert“.
- Foundational – Diese Tour hat ein ähnliches Commitment wie ein traditioneller Arbeitsplatz, bei dem der Mitarbeiter sich mit der Firma identifiziert.
In der Praxis kommt die Transformational Tour am häufigsten vor, und dieser Tour wird auch ein eigenes Kapitel gewidmet.
Das Netzwerk
Wie der Titel schon sagt, das Netzwerk hat eine wichtige Bedeutung. Denn der Arbeitnehmer erhofft sich vom Mitarbeiter auch einen Zugang zu dessen Netzwerk. Daher geht ein eigenes Kapitel darauf ein, wie man die Netzwerke der Mitarbeiter effektiv nutzen kann.
Aber das Netzwerk kann auch dann weiter genutzt werden, wenn der Mitarbeiter die Abteilung oder Firma verlässt. Zwei weitere Kapitel widmen sich dem Wert eines Alumni-Netzwerks, und wie man ein Alumni-Netzwerk aufbaut.
The Alliance in Deutschland
Das Buch ist durch und durch vom US-amerikanischen Umfeld, und ganz besonders von Silicon Valey geprägt. Aber in Deutschland haben wir ein ganz anderes Umfeld, wo die „Hire and Fire“-Mentalität (noch) nicht so extrem praktiziert wird, bzw. rein rechtlich gar nicht praktiziert werden kann, zum Glück! Aber viele der Ideen sind wertvoll, da sie für hochmotivierte Mitarbeiter sorgen, was wiederum für Wettbewerbsfähigkeit sorgt. Gleichzeitig besteht die Gefahr, dass die „Tour of Duty“ als faule Begründung für befristete Verträge genutzt werden. Und ich kann mir gut vorstellen, dass selbst die Diskussion von zeitlich begrenzten Tours beim Betriebsrat Alarmglocken auslöst.
Während sich in innovativen Firmen im US-amerikanischen Umfeld die Tour of Duty als Managementwerkzeug etabliert, kann ich mir in Deutschland vorstellen, dass talentierte Mitarbeiter umgekehrt anfangen, diese einzufordern, um damit ihre Karriere systematisch aufzubauen. Das ist dann zwar gut für die Mitarbeiter, hilft aber dem Wirtschaftsstandort Deutschland nur begrenzt weiter.
Ich würde mich sehr für die Meinung meiner Leser zu dem Thema interessieren. Im Kommentarfeld unten kann auch anonym kommentiert werden.