Was der Hype-Zyklus für das Systems Engineering bedeutet
Schon immer wurden neue Innovationen dermaßen revolutionär von den Medien dargestellt, dass eine Enttäuschung unausweichlich war. Dabei ist es egal, ob wir vom Internet der Dinge reden, von Multimedia in den 90ern oder der „Railway Mania“ in den 1840ern. Doch oft haben diese Innovationen Jahre später ein Comeback, was kaum jemand merkt. Dieser Effekt ist unter dem Namen Hype-Zyklus bekannt und für Systems Engineers relevant.
Gartner Hype-Zyklus
Der Hype-Zyklus wurde von Gartner entdeckt, einem Anbieter von Analysen. Hierbei wird der „Hype“ auf der vertikalen Achse gegen die Zeit auf der horizontalen Achse aufgetragen. Hier sehen wir eine charakteristische Kurve:
- Technologischer Auslöser: Am Anfang ist die Innovation noch unbekannt, fängt aber an, Interesse zu erregen. Vielversprechende Konzepte und Fallstudien werden von der Presse aufgegriffen.
- Gipfel der überzogenen Erwartungen: Das öffentliche Interesse erreicht den Höhepunkt des Hypes, wo viele Erwartungen völlig überzogen sind. Die Fehlschläge (bezogen auf die Erwartungen) fangen an, sich zu häufen.
- Tal der Enttäuschungen: Das Interesse der Öffentlichkeit verschwindet genauso schnell wie es kam, von vielen wird die Innovation als tot bezeichnet.
- Pfad der Erleuchtung: Während die Öffentlichkeit kaum etwas davon mitbekommt, bildet sich langsam ein Verständnis der Innovation. Die Forschung erkennt realistische Anwendungsfelder und die Grenzen der Technologie.
- Plateau der Produktivität: Am Ende wird die Innovation ein fester Bestandteil der Welt, die Vorteile und Grenzen sind verstanden. Wie hoch das Plateau ist, verglichen mit dem Gipfel, hängt von vielen Faktoren ab.
Der Hype Cycle läuft in der Regel über mehrere Jahre ab, es können aber auch Jahrzehnte sein (Kernfusion, Raumfahrt).
Beispiel: Autonomes Fahren
Autonomes Fahren ist ein gutes Beispiel für eine Innovation, die dem Hype-Zyklus folgt. Die Mitteilung von Google in 2012, 500.000km autonom zurückgelegt zu haben, schlug wie eine Bombe ein. Das Rennen um das autonome Fahren hatte damit begonnen.
Doch haben wir immer noch keine autonomen Autos auf unseren öffentlichen Straßen, von ein paar Städten mit Pilotprojekten mal abgesehen. Außerdem gab es zwischenzeitlich mehrere Unfälle, die den Enthusiasmus ums autonome Fahren erheblich gedämpft haben.
Die Träume vom fahrerlosen Fahren waren allzu kühn
Frank Weber, Entwicklungschef BMW
Doch unbemerkt (zumindest von Nicht-Experten) verbreiten sich autonome Fahrzeuge: Auf Krankenhaus- und Universitätsgelände, als „letzte Meile“ des öffentlichen Nahverkehrs, als Transporter in Fabriken und Lagerhäusern.
Laut Auto Tech Review befindet sich das voll-autonome Fahren (Level 5) noch vor dem Gipfel der überzogenen Erwartungen, während Level 4 diesen bereits überschritten hat.
Der Hype-Zyklus im Systems Engineering
Was hat das Ganze nun mit Systems Engineering zu tun? Zum einen Innovationen für das Leben eines Unternehmens wichtig, heute mehr denn je. Nur Innovationen ermöglichen es, nicht vom Wettbewerb überholt zu werden.
Wenn wir uns mit Innovationen auseinandersetzen, müssen wir vor allem zwei Dinge beachten:
- Wo im Hype-Zyklus befindet sich die Innovation? Auf eine Innovation zu setzen, die sich vor dem Gipfel befindet ist wesentlich riskanter als eine, die den Gipfel bereits überschritten hat. Gleichzeitig ist das Potential umso größer, je früher die Innovation eingesetzt wird. Dabei sollte auch die zu erwartende Lebenszeit des Systems berücksichtigt werden.
- Hat die Organisation die Durchhaltekraft, um von der Innovation zu profitieren? Je nach Phase der Innovation muss das Management bereit sein, mehrere Jahre auf den Return of Investment zu warten. Wenn dies nicht der Fall ist, sollten wir lieber auf etablierte Technologien setzen (die sich auf dem Plateau befinden).
Grundsätzlich müssen Unternehmen in der Lage sein, schnell zu reagieren. Doch bei Innovationen, die sich im Hype-Zyklus befinden, kann dies Überlebenswichtig sein.