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KI im Produkt verbauen – eine gute Idee?

Über KI wird im Moment zwar viel geredet, doch noch sind viele Produkte „dumm“. Daher werden sich viele Entwicklungsteam fragen, ob KI in der nächsten Produktgeneration verbaut werden sollte. Im folgenden erkläre ich, warum wir uns das gut überlegen sollten.

Echt oder Fake?

KI befasst sich mit der Automatisierung intelligenten Verhaltens und dem maschinellen Lernen. Die Definition ist relativ breit. Daher ist es für den Nutzer oft nur schwer (oder gar nicht) erkennbar, ob ein System auch wirklich KI einsetzt. Um nur zwei Beispiele zu nennen:

  • Clippy, der berühmt-berüchtigte Assistent von Microsoft Office, sollte intelligent erscheinen, nutzte aber keinerlei KI.
  • Das 1966 geschriebene Programm ELIZA enthält ebenfalls keinerlei Intelligenz, hat aber angeblich in Online-Foren Menschen auf die Palme getrieben, die es für einen echten Gesprächspartner hielten. Jetzt ein Gespräch mit ELIZA führen >>

Bei der Problemanalyse sollten wir also genau prüfen, ob das Problem eine „echte“ KI benötigt. Das ist sicherlich der Fall bei Themen wie autonomen Fahren oder der Analyse von medizinischen Aufnahmen. Aber schon bei einem Chatbot muss es nicht unbedingt „echte“ KI sein, wie ELIZA eindrucksvoll zeigt.

Wir fragen uns nun vielleicht: Warum sollten wir denn keine KI verbauen? Dafür gibt es eine ganze Menge von Gründen:

Was es bedeutet, eine KI im Produkt zu verbauen

Zunächst wird die Entwicklung für KI-basierte Systeme ein gutes Stück komplexer. Das liegt daran, dass die Trainingsdaten für die KI ein integraler Bestandteil der Entwicklung sind. Die Trainingsdaten müssen versioniert, verglichen, auf Qualität geprüft werden, usw.

Was alles schief gehen kann habe ich in einem Gastartikel im HOOD-Block geschrieben: Die 11 Fallen im Machine Learning

HOOD Blog

Das zweite Problem ist die Testbarkeit bzw. Vorhersagbarkeit von Ergebnissen. Nur weil unter Laborbedingungen die KI gute Ergebnisse liefert können wir nicht sicher sein, dass dies im Produktivumfeld auch der Fall ist. Insbesondere sind Ergebnisse in der KI in der Regel Wahrscheinlichkeiten. Das macht ein Testen nach „richtig“ und „falsch“ schwierig.

Dieser Umstand führt zum einen dazu, dass KI-basierte System über einen Update-Mechanismus verfügen sollten. Doch das erhöht wieder die Komplexität. Weiterhin müssen wir gerade bei Updates sehr sorgfältig testen, um Nutzer nicht vor den Kopf zu stoßen. Ein Arzt wäre aus gutem Grund irritiert, wenn ein System auf einem Röntgenbild einen Tumor diagnostiziert und einen Tag später beim selben Bild nicht mehr.

Das dritte Problem ist Ressourcenbedarf, sowohl im Produkt als auch in der Entwicklung. Hier ist Tesla wieder ein gutes Beispiel. Tesla verbaut ein leistungsfähiges Steuergerät, um den Anforderungen des autonomen Fahrens gerecht zu werden. Gleichzeitig baut Tesla unter dem Namen Dojo gerade einen der leistungsfähigsten Computern der Welt. Tesla benötigt Dojo, um die Trainingsdaten für das autonome Fahren zu verarbeiten.

Alternativen zu KI im Produkt

Ich nannte ja bereits ein paar alternativen zu echter KI, Clippy und Eliza. Letzten Endes sollte immer der Kundennutzen im Vordergrund stehen. Dann können wir prüfen, ob KI der beste Lösungsweg ist oder nicht.

Die mit Abstand häufigste Alternative zu KI ist das Implementieren von Entscheidungslogiken oder das Nachschauen in Wissensdatenbanken. Das war unter dem Namen Expertensystem ein Hype in den 1980ern. Auch heute lässt sich mit cleveren Algorithmen und gepflegten Wissensdatenbanken eine Menge erreichen. Auch Fuzzylogik, ein Hype aus den 1990ern, kann wie KI wirken.

Fazit

Es gibt große Probleme, die wirklich ohne KI im Produkt nicht auskommen. Doch für viele Unternehmen ist der günstigere und oft auch bessere Weg, bei klassischen Algorithmen zu bleiben.

Fragt sich nur noch, was wir tun sollen, wenn das Marketing darauf besteht, das Etikett „KI“ einsetzen zu müssen. Dann sollten wir nach einem kleinen, unwichtigen Feature Ausschau halten, wo wir eine fertige, ressourcenarme Bibliothek verbauen können. Aber besser wäre es in dem Fall, das Marketing von der Unsinnigkeit der Aktion zu überzeugen.

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Michael Jastram

Creator and Author of SE-Trends