Das Agile Modeling Manifesto: Ist die Zeit reif?

Der Betreff der E-Mail von LieberLieber machte mich neugierig: „A Manifesto for Agile Modeling“. Im folgenden untersuche ich, was es damit auf sich hat.

Um gleich auf den Punkt zu kommen: LieberLieber , ein auf Modeling spezialisiertes Unternehmen, stellte das Manifest im September auf der Swissed 2019 als Teil der Präsentation „Agile Modeling in Safety-Critical Environments“ (PDF) vor. Dort taucht es auf Folie 22 auf:

Agile Modeling Manifesto von LieberLieber (Quelle)

In dem Vortrag beschreibt der Autor, Konrad Wieland, wie bei der Entwicklung sicherheitskritischer Systeme agil gearbeitet werden kann. Denn dort gibt es viele Herausforderungen, die bei der „traditionellen“ agilen Vorgehensweise nicht bestehen, wie die Durchführung von Sicherheitsanalysen. Dabei sieht Wieland Modelle als lebensnotwendig – einer Ansicht, der ich ebenfalls zustimme.

An dieser Stelle untersucht Wieland, wie wir von erfolgreicher agiler Softwareentwicklung lernen können, um auch bei komplexer Systementwicklung von Agilität zu profitieren. Dort kommt er schnell zu der Notwendigkeit, Informationen in strukturierter Form vorliegen zu haben, die auch entsprechend versioniert und über Branches in verschiedene Richtungen ausgebaut werden kann. Dann identifiziert er Continuous Integration (CI) als ein Kernkonzept der agilen Entwicklung, und überträgt dies folgendermaßen auf den modellbasierten Ansatz:

Nach jeder Iteration (oder besser, nach jeder Änderung) muss ein ein nützliches Modell bestehen.

Das oben gezeigte Manifest ist nach Wieland der Weg, um dies zu gewährleisten.

Bestehende Werkzeuge neu einsetzen

Agile Softwareentwicklung war mit den damals verfügbaren Werkzeugen möglich – sie mussten nur anders genutzt werden. Genauso ist agiles MBSE mit bestehenden Werkzeugen möglich. Dass dabei die von LieberLieber vertriebene Software zum Einsatz kommt, ist natürlich nicht verwunderlich (Folie 25: Enterprise Architect, LemonTree, git). Das ist ein sinnvoller und pragmatischer Ansatz.

Trotzdem muss nun natürlich noch das Agile Modeling Manifesto mit Leben gefüllt werden. Und damit kommen wir zu einem wichtigen Punkt, den ich ein bisschen vermisse:

Wo ist die Community?

Das ursprüngliche Agile Manifest war unter anderem deswegen so erfolgreich, weil es von 17 Schwergewichten in der Softwareentwicklung unterzeichnet wurde, wie Jeff Sutherland, Kent Beck und Martin Fowler. Und diese haben es nicht nur unterzeichnet, sondern auch Bücher geschrieben, Schulungen organisiert und weitergeforscht.

Insofern war ich ein bisschen enttäuscht, dass der Aufbau einer entsprechenden Gemeinschaft nicht angesprochen wurde – zumindest nicht auf den Folien.

Manche Ideen brauchen mehrere Anläufe

Dies ist sicher nicht der erste Versuch, ein Manifest für Modellierung auf die Beine zu stellen. Zum Beispiel hat die OMG im April letzten Jahres ein Model Based Engineering (MBE) Manifest erarbeitet, das nun weiterentwickelt wird:

MBE Manifesto der OMG (Quelle)

Mit einem Augenzwinkern hatten wir 2017 auch beim 2. Modeling Camp Kaffeetassen mit einem Manifest verteilt:

Dies zeigt auf jeden Fall, dass es viele Menschen gibt, die ein Manifest für die agile Modellierung wollen. Viele gute Ideen brauchen mehrere Anläufe. Ich würde mich freuen, wenn einer dieser Manifeste irgendwann wirklich Fuß fasst.

Photo by Miguel Bruna on Unsplash

Michael Jastram

Creator and Author of SE-Trends