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Was ist eigentlich SPICE?

Wer im Automotive-Umfeld unterwegs ist, ist sicherlich schon dem Begriff „ASPICE“ begegnet. Das „A“ steht Automotive, denn SPICE hat auch in anderen Industrien Relevanz.

Aber was genau ist SPICE — und welche Rolle spielt es im Systems Engineering? Darum geht es im Folgenden.

SPICE: Software Process Improvement and Capability Determination

SPICE steht für Software Process Improvement and Capability Determination, also Software-Prozessverbesserung und Fähigkeitsermittlung. SPICE hat damit zwei Funktionen, die Hand in Hand gehen: Zunächst können wir mit damit Unternehmensprozesse bewerten. Basierend auf der Bewertung können wir im zweiten Schritt punktuell die Prozesse verbessern und Lücken füllen.

SPICE wurde ursprünglich in der ISO/IEC 15504-5 standardisiert, die allerdings 2021 durch ISO/IEC TS 33061:2021 ersetzt wurde. Der Treiber dafür war der vermehrte Einsatz von Software in Produkten. Daher ging es Anfangs auch „nur“ um Softwareentwicklung.

Die zwei Dimensionen von SPICE: Prozesse und Reifegrad

SPICE hat zwei Dimensionen: Die Prozessdimension und die Reifegraddimension.

Die Prozessdimension von SPICE bezieht sich auf die spezifischen Prozesse, die bei der Entwicklung von softwarelastigen Produkten eingesetzt werden. Dazu gehören Aktivitäten wie z. B. Anforderungsmanagement, Design, Codierung, Testen und Konfigurationsmanagement. Die Prozessdimension wird anhand einer Reihe von Modellen bewertet, die auf die spezifischen Bedürfnisse der entsprechenden Industrien zugeschnitten sind, z. B. im Automotive, der Luft- und Raumfahrt oder der Telekommunikation.

Die Reifegraddimension bezieht sich auf die Fähigkeit einer Organisation, einen bestimmten softwarelastigen Entwicklungsprozess effektiv und effizient durchzuführen. Sie wird anhand einer Reihe von Modellen gemessen, die die Fähigkeit einer Organisation bewerten, die spezifischen Anforderungen eines bestimmten Prozesses zu erfüllen. Jedem Prozess werden Reifestufen zugeordnet, die sich an der Fähigkeit der Organisation orientieren, die mit dem Prozess verbundenen spezifischen Ziele zu erreichen.

In SPICE gibt es sechs Reifegradstufenvon 0 (unvollständig) bis 5 (optimiert). Jede Stufe ist durch eine Reihe spezifischer Prozessverbesserungsziele definiert. Durch das Erreichen dieser Ziele weist die Organisation deren Reifegrad nach.

Systematische Verbesserung

Die Kombination der Prozessdimension und der Reifegraddimension bietet einen umfassenden Ansatz zur Bewertung und Verbesserung von softwarelastigen Entwicklungsprozessen. Durch die Bewertung der Prozesse und Fähigkeiten einer Organisation ermöglicht SPICE den Unternehmen, verbesserungswürdige Bereiche zu identifizieren und einen Plan für die Umsetzung von Änderungen zu entwickeln, die ihnen helfen, qualitativ hochwertigere Produkte effizienter zu liefern. Darüber hinaus bietet SPICE eine gemeinsame Sprache und einen Rahmen für Unternehmen, um über ihre Prozesse und Fähigkeiten zu kommunizieren. Das fördert die Zusammenarbeit und den Wissensaustausch in einer Branche.

ASPICE: SPICE im Automotive-Umfeld

Ein gutes Beispiel dafür ist SPICE im Automotive-Umfeld, also eine industriespezifische Anpassung. ASPICE, hat, im Vergleich mit SPICE, einen starken Fokus auf Best Practices im Sicherheits- und Qualitätsmanagement. Tatsächlich ist das Erreichen der ASPICE-Reifestufe 2 typisch für den Abschluss eines Audits der funktionalen Sicherheit nach ISO 26262. ASPICE soll auch agiles Arbeiten über ein iteratives Vorgehen fördern, natürlich ohne die Ansprüche auf hohe Sicherheit zu beeinträchtigen. Das soll — zumindest in der Theorie — die Entwicklungszyklen verkürzt und die Qualität während des gesamten Entwicklungsprozesses sicherstellten.

Fazit

Grundsätzlich ist es für den nachhaltigen Erfolg eines Unternehmens eine gute Idee, die Reife von Prozessen sicherzustellen und kontinuierlich zu verbessern. Doch das ist eine erhebliche Investition. Aus diesem Grund finden wir SPICE in der Regel dort, wo die Komplexität und die Ansprüche an die Entwicklung sehr hoch sind. In manchen Industrien, wie im Automotive, haben Organisationen in der Regel keine Wahl. Insbesondere fordern OEMs in der Regel von ihren Zulieferern Nachweise bezüglich ASPICE.

Auch wenn es nicht vorgeschrieben ist, können Unternehmen die zwei Dimensionen von SPICE als Framework nutzen. Dazu sollte die Organisation aber schon eine Gewisse Reife haben. Wenn dies nicht gegeben ist dann ist die ISO 9001 ein besserer Startpunkt.

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Michael Jastram

Creator and Author of SE-Trends