Systems Engineering: Zentrale Normen und Standards
Um Systems Engineering in der unternehmerischen Praxis zu etablieren, sind Normen, Richtlinien und Standards eine grundlegende Voraussetzung. Bereits 2016 gab es an dieser Stelle einen Artikel, der die vier wichtigsten Standards des Systems Engineering vorgestellt und erläutert hat. Seitdem ist das Universum rund um die zentrale Norm ISO 15288 größer geworden. Es gibt zahlreiche Zusatznormen, welche die 15288 ergänzen, erweitern und auch greifbarer machen.
Die ist ein Gastbeitrag von Dr.-Ing. Lukas Bretz und Quy Luu Duc, Fraunhofer IEM
ISO 15288: Zentrum des Normen-Universums
ISO 15288 ist quasi die „Mutter“ der heutigen internationale SE-Normen und — mit der 2015 veröffentlichten aktuellen Version — einer der neueren Standards im Bereich Systems Engineering. Die Norm unterscheidet vier Prozessbereiche mit insgesamt 30 Prozessen: technische Managementprozesse, technische Prozesse, organisatorische Projektunterstützungs- sowie Vertragsprozesse. Für jeden Prozess innerhalb der definierten Prozessbereiche werden Zweck, mögliche Ergebnisse sowie die zur Bereitstellung der Ergebnisse notwendigen Aktivitäten und Aufgaben beschrieben. Auch wenn die in der Norm vorgeschriebenen Prozesse sehr umfangreich gehalten sind, was auf den ersten Blick so manchen Anwender abschrecken mag, macht der Aufbau der Norm die ganzheitliche Betrachtung eines kompletten Lebenszyklus möglich.
Verbundene Normen: Das Umfeld der ISO 15288
Mit dieser zentralen Norm sind einige andere eng verbunden. Sie spiegeln die Vielfalt wider, die heutzutage bei der Entwicklung von Systemen berücksichtigt werden muss. Denn die Schwerpunkte im Systems Engineering variieren je nach Industrie, Branche und Zielsetzung.
Eine verbundene Norm, die dem Anwender hilft, ISO 15288 anzuwenden, ist unter anderem ISO 24748-1, die die Themen Lebenszyklen und Lebenszyklusmanagement detaillierter erläutert. ISO 15289 hingegen spezifiziert die Dokumente, die prozessbegleitend im Rahmen von ISO 15288 auftreten, dort aber nicht näher beschrieben werden. ISO 24748-2 wiederum verbindet ISO 15288 und ISO 24748-1 miteinander und bietet eine gute Hilfestellung bei der Identifikation und Planung der Lebenszyklusprozesse. Sie richtet den Fokus speziell auf die Lebenszyklen von Systemen. Nachfolgend eine Übersicht weiterer Normen, die ISO 15288 ergänzen und erweitern:

Und sonst? Normen zum Projekt- und Qualitätsmanagement
Für ein erfolgreiches Systems Engineering sind zudem noch weitere Normen aus den Bereichen des Projekt-, Qualitäts- und Risikomanagements sowie der Architektur von Bedeutung. Zu diesen zählt zum Beispiel die ISO 9000 Serie. Sie umfasst eine Reihe allgemeiner, anerkannter Normen für das Qualitätsmanagement. Die ISO 9001:2015 ist dabei die weltweit führende Norm, die von Organisationen in mehr als 170 Ländern auf der ganzen Welt verwendet wird. Die ISO 31000 bietet hingegen Leitlinien für das Risikomanagement von Organisationen, die individuell an den jeweiligen Kontext angepasst werden können. Und Kern der ISO/IEC/IEEE 42010 sind konzeptuelle Modelle der Architekturbeschreibung. Sicherheitsrelevante Funktionen werden wiederum in IEC 61508 (oder ihren branchenspezifischen Derivaten, z.B. ISO 26262 für Automotive) behandelt.
Enorme Vielfalt, gezielte Anwendung
Auch diese kurze Übersicht und Vorstellung zentraler SE-Normen zeigt: Wer beginnt, sich mit der Entwicklung von Systemen zu beschäftigen, sieht sich einer enormen Vielfalt internationaler und nationaler Normen gegenüber. Aber sie macht auch deutlich, dass nicht jede Norm, nicht jeder Standard direkt miteinbezogen werden muss. Im Zentrum des Systems Engineering stehen ISO 15288 und die „Tochter-Norm“ ISO 24748. Diese können sinnvoll und zielführend von weiteren verbundenen Normen ergänzt werden – je nach Organisation, Unternehmensgröße, Rechtlichen Vorgaben, Sicherheitsrisiken und Bedarf.
Die Autoren
Dr.-Ing. Lukas Bretz und Quy Luu Duc sind Wissenschaftler am Fraunhofer IEM. Sie entwickeln auf Basis von SE-Normen konkrete SE-Einführungsstrategien für Unternehmen. Mehr zur Arbeit des Fraunhofer IEM gibt es unter Advanced Systems Engineering – Fraunhofer IEM.