Systems Engineering bei SpaceX

SpaceX ist aktuell mit vielen Erfolgen in der Presse: Insbesondere hat das Unternehmen gerade den ersten bemannten Raumflug der USA seit 2011 erfolgreich beendet, als am 2. August deren Dragon-Kapsel zwei Astronauten erfolgreich zur Erde zurückbrachte.

Als Systems Engineers interessiert uns besonders, wie SpaceX ans Systems Engineering herangeht. Dieser Artikel beantwortet diese Frage.

SpaceX wurde 2002 gegründet und hat es geschafft, innerhalb von 18 Jahren den gesamten Markt der Raumfahrt aufzurollen? Seit 2017 ist das Unternehmen Marktführer bei Satellitenstarts. Das hat sicher viel mit einem hervorragenden Verständnisses des Marktes zu tun, doch die Technologie muss auch stimmen. Und die Raumfahrt hat schließlich beim Systems Engineering Pionierarbeit geleistet.

Systems Engineering-Philosophie

In dem Vortrag „System Engineering: A Traditional Discipline in a Non-traditional Organization“ (PDF) beantwortet SpaceX diese Frage.

Wie so oft im Systems Engineering steht der Mensch im Mittelpunkt. SpaceX setzt klare Werte bezüglich einer Kultur, bei der Zuverlässigkeit und Sicherheit absolute Priorität haben.

Zuverlässigkeit und Sicherheit stehen bei SpaceX an erster Stelle.

Soweit, so gut. Es würde mich sehr wundern, wenn andere Raumfahrtunternehmen sich nicht so eine Kultur wünschen (ob sie diese auch forcieren ist dann eine andere Frage).

Interessant wird es bei der Philosophie bezüglich Entwicklung: Risiko wird traditionell durch eine exzessive Up-Front-Analyse verwaltet werden, doch SpaceX setzt statt dessen auf Rapid Prototyping. Im 21. Jahrhundert haben wir Möglichkeiten, In kurzen Entwicklungszyklen echte Systeme zu entwickeln und zu testen. Dabei wird rigoros auf allen Ebenen getestet – einschließlich an der fertigen Rakete, direkt vor dem Start.

Die Organisation selbst muss so ein Vorgehen tragen können. Daher wird in allen Abteilungen von SpaceX Systemdenken gelehrt und praktiziert. Ebenso setzen sich alle Abteilungen mit dem Thema Integration auseinander. Integration wird ganzheitlich verstanden.

Da der Umgang mit Information so wichtig ist, werden moderne Kollaborationswerkzeuge, wie Jama, eingesetzt. Traditionelle Organe wie Control Boards und Komitees fallen weg.

Dieses Vorgehen ermöglicht es SpaceX, gerade im Detail Änderungen durchzuführen, ohne die Robustheit des Gesamtsystems zu gefährden. Das führt zu teilweise drastischen Änderungen im Design:

Bildquelle: SpaceX – System Engineering: A Traditional Discipline in a Non-traditional Organization

„Tools not Rules “ – „Test rigorously and often“

Das V-Modell bei SpaceX

SpaceX praktiziert keine traditionelle Dekomposition. Statt dessen werden „Key Design Parameters“ identifiziert und bis zur Designebene verfolgt. Ein klassischer Design Parameter ist bspw. das Gewicht der Rakete. Dieses Vorgehen ermöglicht wesentlich mehr Flexibilität auf der Designebenene. Dies ist übrigens der Ansatz, den das Werkzeug Valispace verfolgt.

Das Thema Integration und Integrationstest ist durch dieses Vorgehen wichtiger denn je. Daher ist die Investition in eine entsprechende Testinfrastruktur auch von strategischer Bedeutung. SpaceX versucht die Tests so realistisch wie möglich zu gestalten („Test as you fly“). Das führ auf Komponentenebene zu vielen Hardware-in-the-Loop-Tests, wobei auch die Software wann immer möglich mit einbezogen wird.

SpaceX führt auch viele Tests durch, die absichtlich zum Versagen eines Bauteils führen. Dadurch können dann Szenarien von Versagen realistischer untersucht werden.

Selbstverständlich werden alle relevanten Tests bei Änderungen wiederholt durchgeführt.

Dieses Vorgehen führt zu einer spektakulär hohen Anzahl von SpaceX-Explosionen bei YouTube, doch die meisten davon entstanden während Tests. Bisher sind lediglich vier Satellitenstarts fehlgeschlagen, von insgesamt 86 Missionen.

Fazit

Wie viel Organisation und Struktur braucht eine Firma, die hochkomplexe Systeme entwickelt, von denen seit kurzem Auch Leben abhängen? Zu wenig führt zu riesigen Problemen – es gibt einen Grund, dass die Komplexität einer Organisation die Komplexität des Produktes widerspiegelt. Doch zu viel Struktur führt zu einem Mangel an Agilität – und nicht unbedingt zu Sytemen, die sicherer sind. Wie wir leider kürzlich bei Boeing sehen mussten.

Photo by SpaceX on Unsplash

Michael Jastram

Creator and Author of SE-Trends