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Subtraktives Denken als Waffe gegen steigende Komplexität

„Lieber Freund, entschuldige meinen langen Brief, für einen kurzen hatte ich keine Zeit.“ Dieses Zitat stammt wohl von Blaise Pascal aus dem Jahr 1656 (auch wenn das Zitat auch anderen Persönlichkeiten zugeschrieben wird). Es liegt in der Natur des Menschen, eher hinzuzufügen als wegzunehmen. Kein subtraktives Denken, sondern additives.

Wer subtraktives Denken als Systems Engineer praktiziert ist klar im Vorteil. Denn die investierte Zeit, die wir zum Vereinfachen brauchen, machen wir gerade in der heutigen Zeit wegen der steigenden Komplexität schnell wieder wett.

Neue Forschungsergebnisse

Inspiriert wurde dieser Artikel von einem Artikel in Nature, People systematically overlook subtractive changes. Das Stichwort ist „systematisch“: Wenn wir nicht bewusst darüber nachdenken, dann korrigieren wir Probleme durch das Erhöhen der Komplexität. In einem Experiment haben die Forscher Teilnehmer die Aufgabe gegeben, ein Muster aus farbigen Quadraten symmetrisch zu machen. Dies war durch das Hinzufügen oder Entfernen von Quadraten möglich, aber 78% der Teilnehmer fügten Teile hinzu.

78% der Teilnehmer fügten Teile hinzu, um das Muster symmetrisch zu machen, obwohl ein Entfernen ebenso möglich war.

Die Forscher haben festgestellt, dass subtraktives Denken erlernbar ist. Allerdings geht diese Fähigkeit unter Stress zumindest zum Teil wieder verloren. Das ist gerade im industriellen Umfeld relevant, da dort in der Regel mehr Druck herrscht als im akademischen Umfeld.

Gegenmaßnahmen

Wie schon eingangs gesagt: additives Denken ist ein Problem im Systems Engineering. Das war schon immer so, aber durch die steigende Komplexität ist vereinfachen noch wichtiger geworden.

Es gibt mögliche Gegenmaßnahmen, dazu gehören:

  • Bewusstsein für das Problem schaffen, zum Beispiel durch entsprechende Schulungen. Ich kann mir kaum eine Schulung nur zu diesem Thema vorstellen, kann aber leicht mit bestehenden Schulungen verknüpft werden werden.
  • Einen Verantwortlichen benennen, zum Beispiel den Systemarchitekten
  • Möglichkeiten der Vereinfachung verfolgen und regelmäßig aufarbeiten. Dies kann als Teil der Technischen Schulden verfolgt werden.
  • Komplexität messen – hier gibt es verschiedene Metriken. Wichtig ist allerdings, diese auch korrekt zu nutzen. Es ist nicht das Ziel, die Komplexität zu minimieren, sondern den richtigen Grad an Komplexität zu erreichen.

Um der Idee des subtraktiven Denkens treu zu bleiben ende ich hier, nachdem ich das längere Manuskript dieses Artikels sorgfältig gekürzt habe.

Bildquelle: Pixabay

Michael Jastram

Creator and Author of SE-Trends