Quo vadis, Systems Engineering? Keynote von Paul Schreinemakers bei der JamaCon 2019
Letzte Woche fand die JamaCon 2019 in Amsterdam statt, und die Keynote der Veranstaltung wurde von Paul Schreinemakers gehalten, dem Direktor von INCOSE Europe. Er sprach über den Erfolg vom SE, aber auch den Herausforderungen in der heutigen Zeit, und was das für die Zukunft des Systems Engineering bedeutet.
Vor ziemlich genau drei Jahren sprach ich beim Tag des Systems Engineering (TdSE) mit Paul. Schon damals sah er Ausbildung als eine wichtige Aufgabe, um das Systems Engineering der Zukunft auf ein solides Fundament zu stellen. Auf der diesjährigen JamaCon beschrieb er seine Vorstellung der Zukunft des Systems Engineering, wobei er auch auf das Thema Ausbildung zu sprechen kam.
Die guten alten Tage
Es gab eine Zeit, da erschien Systems Engineering vergleichsweise Einfach – zumindest aus heutiger Sicht. Der Wasserfall wurde schnell verworfen, und relativ schnell etablierte sich das V-Modell.
It used to be a greenfield environment…
Doch der traditionelle Ansatz funktioniert nicht mehr: Wenn die Entwicklung so weit fortgeschritten ist, dass Validierung auf oberster Ebene stattfinden kann („oben rechts“), hat die Entwicklung längst zu lange gedauert, und es ist zu spät für viele sinnvolle Anpassungen.
V&V has to be done early and often
Daher müssen Validieren und Verifizieren früher und öfter stattfinden. Es gibt viele Beispiele, die zeigen, welche dramatischen Folgen es haben kann, wenn dies nicht beachtet wird. Paul erwähnte diesbezüglich die Julianabrücke (Alphen a/d Rijn), als auch die Boing 737 MAX.
Die Entwicklungsgeschwindigkeit steigt rapide
Die Entwicklungszeiten für Produkte beschleunigen sich weiter. Während die Entwicklung eines Netzwerks (egal welcher Art) über Jahrzehnte ablaufen kann, so findet die Weiterentwicklung von Softwaresystemen in Monats- oder sogar Tagesschritten statt.
Damit nicht genug: Die Weiterentwicklung verlagert sich im weiter in den Betrieb: Selbstadaptierende Systeme aktualisieren sich im Sekunden- oder sogar Microsekundenrhythmus. Der Kontext, in den moderne Systeme eingebettet sind, ist nicht mehr klar definiert und nichtdeterministisch.
…now we operate in a brownfield environment
The Future State of Systems Engineering
Paul setzt sich aktiv mit diesem Thema auseinander und arbeitet aktiv im Rahmen der INCOSE an diesem Problem. Der aktuelle Standpunkt ist unter dem Namen Future State of Systems Engineering in der Systems Engineering Vision 2025 in Kapitel 3 festgehalten. Diese wird übrigens demnächst für 2035 aktualisiert.
Eine der Erkenntnisse ist, dass die Komplexität aktuell explodiert. Daher gibt es konkrete versuche, dies zum Bremsen, bspw indem die Größe der Codebase von Software reduziert wird. Ein wichtiger Komplexitätstreiber ist übrigens die steigende Anzahl der Stakeholder. Das wiederum zeigt, wie wichtig die menschliche Komponente im Systems Engineering ist.
Ärzte und Patienten sind Stakehholder von autonomen Fahrzeugen, denn diese sind um Größenordnungen sicherer als heutige Autos, weshalb es weniger Spendenorgane geben wird
Für die Zukunft bedeuten diese Entwicklungen, dass wir die Grundlagen des Systemdenkens in den regulären Lehrplan von Schulen aufnehmen sollten. Gleichzeitig beschäftigt sich die Arbeitsgruppe F4SE (Foundations for Systems Engineering) damit, das Fundament von SE zu fixieren und zu vermitteln.
Wer mehr über die Zukunft des Systems Engineering erfahren möchte oder sich mit der Vision des Systems Engineering beschäftigen möchte, kann sich an die INCOSE wenden, oder noch besser dort direkt einbringen. Viele Aktivitäten der INCOSE werden von Freiwilligen geleitet, viele Ergebnisse von Experten aus Leidenschaft erarbeitet. Jetzt ist der richtige Zeitpunkt sich dort einzubringen.