PTC kauft Intland (Codebeamer)

Intland ist unter anderem bekannt für Codebeamer, einem Werkzeug für Anforderungsmanagement. Nun wurde Intland von PTC gekauft. Diese Art von Akquisition ist nicht ungewöhnlich und erinnert an den Kauf von Polarion durch Siemens im Jahre 2015. Was verspricht sich PTC davon und was bedeutet das für Systems Engineers? Eine Analyse:

Die Akquisition wurde eine Woche vor der ReConf bekanntgegeben und war dort ein häufiges Gesprächsthema. Auch wenn sowohl PTC und intland dort als Aussteller anwesend waren, so könnten die Kollegen mir wenig mehr mitteilen als das, was in der Pressemitteilung zu lesen war. Zum Beispiel, dass PTC einen Betrag von $280 Millionen gezahlt hat.

Konsolidierung des Markets

Nachdem es vor fünf Jahren eine kleine Welle von interessanten Akquisitionen und eine gewisse Konsolidierung im Markt gab, ist es in letzter Zeit etwas ruhiger geworden. Das hat sicher auch etwas damit zu tun, dass der Markt für Systems Engineering-Werkzeuge vergleichsweise klein ist. Außerdem hat sich am am Stand der Technik vergleichsweise wenig geändert.

Konkretes Beispiel: Werkzeuge für das Anforderungsmanagement haben sich in den 90ern und 2000ern kaum weiterentwickelt. Angesagt waren IBM DOORS (classic), Borland Caliber, oder MKS Integrity. Dann kamen in den 2010ern eine neue Welle von webbasierten Werkzeugen: Polarion, Jama, DOORS Next und, ja, auch Codebeamer. Daneben gibt es noch eine Anzahl von durchaus respektablen Lösungen, die jedoch bezüglich Marktanteil kaum mit den Großen mithalten können. Hier seien exemplarisch Visure und R4J erwähnt.

Integration ist das Killer-Feature

Auch wenn die Werkzeughersteller es gern anders hinstellen, so haben die führenden Werkzeuge doch alle einen ähnlichen Satz an Eigenschaften. Wichtiger ist den Kunden heute eine nahtlose Integration in die IT-Landschaft. Dementsprechend dominierte in der Pressemitteilung auch das Thema Integration. PTC ist ein Portfoliounternehmen, welches bereits einen ganzen Satz an Werkzeugen für die Produktentwicklung enthält. Dazu gehören Windchill (PLM), OnShape (CAD) und viele andere.

Mit Polarion hat Siemens sich 2015 ein RE-Werkzeug ins Portfolio geholt. Nun holt sich PTC mit Codebeamer ein RE-Werkzeug.

Was ist mit Windchill RV&S (ehemals Integrity Lifecycle Manager)?

Allerdings hat PTC bereits ein RE-Werkzeug im Portfolio, nämlich Windchill RV&S, besser bekannt unter dem alten Namen Integrity. Doch Integrity ist inzwischen über 20 Jahre alt, ist nicht webbasiert und kam ebenfalls über eine Akquisition ins Portfolio. PTC hat in den letzten Jahren wohl ein paar größere Deals in der Automobilbranche realisieren können. Auch hat PTC die Oberfläche zumindest teilweise webfähig gemacht. Warum also nicht mit Integrity weitermachen?

Ich vermute, dass PTC es für sinnvoller hält, mittelfristig Integrity auslaufen zu lassen. Es ist wohl kostengünstiger und weniger riskant, ein gutes Produkt zu kaufen als zu versuchen, aus einem uralten Produkt ein brauchbares zu machen. Hinzu kommt, dass Codebeamer in den letzten Jahren viel Erfolg in der Automobilbranche hatte. Wenn PTC sich geschickt anstellt, dann wird dieser Deal den Wert des PTC-Portfolios erheblich auswerten.

Für diese These spricht auch, dass Windchill RV&S in der Pressemitteilung mit keinem Wort erwähnt wird. Schon vor zwei Jahren begann PTC, den Namen Integrity nicht mehr zu benutzen. Stattdessen präsentieren sie eine ganzheitliche Lösung.

Wer ist noch übrig?

Von den „vier großen“ RE-Werkzeugen sind nun drei Teile von Portfolios: Polarion, DOORS Next und Codebeamer. Nur Jama Software ist als einziges Unternehmen übrig, das lediglich ein einziges Produkt vertreibt.

Jama Software erhielt bereits 2018 eine Investition von $200 Millionen von Insight Partners

Insight Partners

Jama erhielt vor vier Jahren eine Finanzspritze von $200 Millionen. Das erklärt sicher zum Teil, warum PTC nicht Jama akquiriert hat. Basierend auf dem Investment von 2018 wäre der Kaufpreis heute sicher ein vielfaches höher als die $280m, die PTC für Intland bezahlt hat. Das macht Intland sogar zum Schnäppchen.

Ich bezweifle, dass Jama noch lange unabhängig bleiben wird. Schließlich gehört es zum Geschäftsmodell von Insight Partners, Unternehmen nur für eine begrenzte Zeit zu begleiten.

Michael Jastram

Creator and Author of SE-Trends