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Open SourceWerkzeuge

Ist Open Source ein gangbarer Weg im Systems Engineering?

Um die Antwort gleich vorwegzunehmen: Ja, aber… – es gibt inzwischen mehrere Open Source-Lösungen, die auch alle industriell eingesetzt werden. Doch damit auch erfolgreich zu sein ist nicht einfach. Im Folgenden schauen wir uns drei Werkzeuge an, die alle unterschiedliche Wege gehen: Papyrus, Capella und Aras.

Was ist Erfolg?

Zunächst einmal: Viele Open Source-Projekte, und auf jeden Fall die drei genannten, sind in sich Erfolgsgeschichten. Die Werkzeuge haben eine akzeptable Verbreitung. Insbesondere in der Lehre sind viele Open Source-Projekte zu finden. Die Studierenden müssen sich nicht mit Lizenzen herumschlagen und können sofort loslegen. Damit leisten diese Projekte einen wertvollen Beitrag.

Open Source SE-Werkzeuge leisten einen wertvollen Beitrag in der Ausbildung und Lehre und sind dort ein absoluter Erfolg

Doch wie sieht es beim industriellen Einsatz aus? Dabei geht es nicht darum, wie weit die Werkzeuge verbreitet sind. Zum einen lässt sich das schwer messen, da in der Regel keine Registrierung erforderlich ist. Zum anderen werden viele Werkzeuge auch nur einmalig eingesetzt, oder von einer Einzelperson.

Bei „Erfolg“ geht es vielmehr darum, ob der Einsatz von Open Source einen Mehrwert schafft, verglichen mit der alternativen Closed-Source-Lösung.

Papyrus

Papyrus ist eine Eclipse-basierte Modellierungsumgebung, die den SysML-Standard sauber abbildet. Papyrus kann auch als Teil einer Eclipsanwendung integriert werden und ist damit Teil von vielen anderen Eclipseanwendungen, wie bspw. openETCS, an dem ich selbst mitgearbeitet hatte.

Papyrus kann ohne entsprechende Anpassung oder Wartung sehr frustrierend sein. Daher ist es unumgänglich, für diese Tätigkeiten ein entsprechendes Budget einzuplanen. Schließlich gibt es nichts umsonst – die eingesparten Lizenzkosten müssen anders investiert werden. Vor drei Jahren hat sich Papyrus dementsprechend auch als Plattform ausgerichtet, die eine entsprechende Investition erfordert, um Sich als fertiges Werkzeug darzustellen.

Dies hat auch Eclipse erkannt und daher mit dem Eclipse Papyrus Industry Consortium einen industriefreundlichen Rahmen geschaffen. Dieser hilft der Industrie auch, den Aufwand einzuschätzen, der für einen erfolgreichen produktiven Einsatz erforderlich ist.

Capella

Capella verfolgt einen ähnlichen Ansatz wie Papyrus. Während Papyrus jedoch keine klare industrielle Führung hat, wird Capella primär von Thales vorangetrieben. Das wiederum bedeutet, dass der Mehrwert für den Nutzer wesentlich klarer ersichtlich ist, da Thales selbst Capella einsetzt. Dadurch ist Capalla viel stärker von Anwendungsfällen getrieben. Das zeigt sich unter anderem auch darin, dass Capella für eine konkrete Methode, ARCADIA, entwickelt wurde.

Das macht – zumindest in meinen Augen – Capella interessanter für die Industrie als Papyrus. Bei Capella kann man fast sofort loslegen mit Werkzeug und einem dazugehörigen Entwicklungsansatzes. Bei Papyrus muss erst einmal ordentlich investiert werden, bevor erfolgreiche Projekte durchgeführt werden können.

Aras

Über Aras hatte ich bisher noch nicht geschrieben. Das liegt unter anderem daran, dass Aras sich eher als PLM-Lösung positioniert. Allerdings hat Aras eine Systems Engineering-Komponente.

Aber Aras ist in diesem Artikel insofern interessant, da die Firma auf eine (halb)offene Plattform setzt. Ähnlich wie bspw. Red Hat bei Linux verdient die Firma Geld mit Service und Support. Die kostenlose Software enthält allerdings auch proprietäre Teile. Aras nennt dies „Enterprise Open Source“ und wird hier erklärt (Anmeldung erforderlich).

Immerhin – das Modell ist für Aras so erfolgreich, dass Goldman Sachs letztes Jahr $70 Millionen in Aras investiert hat – für weniger als 20% der Firmenanteile.

Fazit

Wie so oft im Leben gibt es nichts umsonst. Das Schöne ist jedoch, dass es Optionen gibt. Neben proprietären Lösungen für das Systems Engineering gibt es halb- und volloffene Lösungen. Je „offener“ ein Tool jedoch ist, desto mehr Investition in der Form von Training und Anpassung muss investiert werden. Insofern sollten sich interessiert unbedingt die Gesamtkosten vor Augen halten, und den Anpassungsaufwand nicht unterschätzen.

Photo by ian dooley on Unsplash

Michael Jastram

Creator and Author of SE-Trends