Was drei Milliardendeals in Open Source für das Systems Engineering bedeuten
Zweifellos ist Open Source zu großen Teilen mit daran beteiligt, dass wir eine nie dagewesene Vielfalt an neuen und innovativen Produkten erleben. Das liegt daran, dass Open Source die unbürokratische Wiederverwendung und Zusammenarbeit über Organisationsgrenzen hinweg unterstützt.
Open Source ist dieses Jahr auch viel in den Wirtschaftsnachrichten zu finden: Dieses Jahr gab es immerhin drei Milliardendeals, bei denen es um Open Source ging, und zwar drei Akquisitionen: IBM kaufte Red Hat ($34 Mrd), Microsoft kaufte gitHub ($7,5 Mrd) und SalesForce kaufte MuleSoft ($6,5 Mrd).
Es ist offensichtlich: Open Source ist Big Business. Aber was sind die Auswirkungen aufs Systems Engineering?
Eine stabile Infrastruktur
Software ist eine der Gründe, warum Systeme in der heutigen Komplexität überhaupt entwickelt werden können. Jede Variable in Software stellt ein „bewegliches Teil“ dar, ohne dass wir uns wegen Verschleiß oder Versagen Sorgen machen müssten. Eine mechanische Uhr besteht maximal aus wenigen tausend Teilen (nicht alle beweglich), während ein modernes Auto hundert Millionen Zeilen Code enthalten kann. (Nun müsste noch abgeschätzt werden, wie viele Variablen, also bewegliche Teile, darin stecken – aber der Punkt sollte klar sein.
Dabei erstreckt sich die Software-Architektur weit über die Produktsoftware. Eine einfache Smartphone-App selbst nutzt in der Regel viele Softwarebibliotheken, die den Rahmen für die Anwendung setzen (der größte Teil Open Source). Die App ist in einer standardisierten Programmiersprache geschrieben, für die es mit Sicherheit Open Source-Compiler gibt, die oft auch zum Einsatz kommen. Das ganze läuft auf einem Betriebssystem, das entweder quelloffen ist (Android), oder selbst viele quelloffene Bibliotheken verarbeitet (iOS). Um zu funktionieren, wird eine Internetverbindung benötigt, die über eine ganze Armee von Open Source-Werkzeugen betrieben wird, wie Webserver, DNS-Server, die wiederum auf Servern mit offenen Betriebssystem laufen, nicht selten von Red Hat.
Systems of Systems
Die eben beschriebene Infrastruktur ist auch ein beeindruckendes Beispiel eines „Systems of Systems“, also lose gekoppelten Systemen, die im Zusammenspiel neue Eigenschaften zeigen. Open Source ist hierfür hervorragend geeignet, da die Schnittstellen sichtbar und für jeden zugänglich sind. Und wenn Schnittstellen fehlen, können diese unbürokratisch hinzugefügt werden.
Da viele der Markteilnehmer sich dieser Dynamik bewusst sind, herrscht inzwischen der Konsens, dass Open Source Governance benötigt, was sich in der Form von Foundations manifestiert (wie bspw. die Eclipse Foundation). Spannend hierbei ist, dass die Konzerne einen Spagat tanzen: Einerseits hätten sie gern Kontrolle über die Software, andererseits brauchen sie Akzeptanz im Markt, die von der Marktmacht des Konzerns zurückgehalten wird. Daher werden die Konzerne oft selbst aktiv und geben freiwillig die Kontrolle ab. So wurde die Eclipse Foundation von IBM gegründet.
Open Source ist salonfähig
Firmen setzen inzwischen Open Source ohne Bedenken ein, sie ist salonfähig geworden, der Mehrwert ist den Entscheidern klar. Für Systems Engineering bedeutet dies, dass der Einsatz von Open Source strategisch wichtig ist: Die möglichen Einsparungen im Vergleich zu proprietären Lösungen sind enorm, die Nachteile gering. Allerdings sollten Aspekte, die differenzierende Merkmale betreffen bzw. zum Intellectual Property einer Firma gehören, nur mit Bedacht in die Open Source gestellt werden, wenn überhaupt. Aber der größte Teil von Entwicklungen ist generisch, und dort steht der Mehrwert von Open Source außer Frage.
Wie man es nicht machen sollte
Als abschreckendes Beispiel hat eine deutsche Bank deren Zulieferern verboten Open Source einzusetzen. So eine Vorgabe zeigt ein grobes Unverständnis moderner Softwareentwicklung. Abgesehen davon, dass dies ohne Grund die Kosten in die Höhe treibt, ist die so entwickelte Software mit Sicherheit auch weniger sicher, für eine Bank ein wichtiges Kriterium. Ich kann dem Blogautor, Dirk Riehle, nur zustimmen: Wer Aktien dieser Bank hält, sollte sie schnell verkaufen.