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Modellierung mit ARCADIA als Methode und Capella als Tool während eines Angebots

Der heutige Artikel wurde von Michael Schäfer verfasst. Michael ist seit 1992 Lead System Architect bei Thales Deutschland, ist Certified System Engineering Professional (CSEP) und ist ein Experte für die Modellierung in der Bahnindustrie. Michael schreibt und spricht viel über das Open Source-Modellierungstool Capella, sowie die dazugehörige Entwicklungsmethodik ARCADIA. In diesem Gastbeitrag beschreibt er, wie Capella-Modellierung bereits in der Angebotsphase erfolgreich eingesetzt wurde.

Wann modellieren?

Modellierung in der Angebotsphase eines Projekts? Wenn man mich vor einem guten Jahr gefragt hätte, ob dies sinnvoll ist, dann hätte ich denjenigen eher zweifelnd angeblickt. Als Systemarchitekt, der größere und kleinere Projekte im Bereich der Steuerungs- und Sicherungssysteme des Eisenbahnbetriebs betreut, hatte ich modellbasierte Systemarchitektur bisher immer in der Projektphase gesehen. Modelle sollten und sollen eine gute Basis für die Entwickler legen und die Anforderungen für sie so definieren, dass auch der Kontext verständlich ist.

Dann wurde ich aber um die Mithilfe in einem Angebot gebeten, bei der mir all die Dinge entgegenlachten, die ich aus den Zeiten von der Einführung von modellbasiertem Arbeiten kannte:

  • „Babylonische Sprachverwirrung.“ Aufgrund der Historie im Bahnbetrieb hat jedes Land eigene Begriffe, die Hersteller benutzen wieder andere Ausdrücke. Das schlug sich auch in den Angebotsunterlagen nieder.
  • Technische Diagramme, mit verschiedensten Tools erstellt, inhomogen in Darstellung, Inhalt und Granularität.

Gerade bei den Diagrammen konnte man den Eindruck gewinnen, dass die beteiligten Teams zu wenig miteinander kommunizierten: Verschiedene Farbbedeutungen, ganz unterschiedliche Darstellungen (von Bilder mit detaillierten Netzwerkkomponenten bis hin zu abstrakten Blockdiagrammen). Ganz typisch war die Vermischung von logischen Sichten mit physikalischen Aspekten. Dem Autor des Bildes war an einer Stelle ein physikalischer Gesichtspunkt wichtig, so dass er mal eben eine Funkverbindung in ein ansonsten abstraktes Kommunikationsdiagramm einbaute… Ich denke vielen Lesern kommen solche Bilder bekannt vor.

Wesentliche Elemente modellieren

Genau an diesem Punkt setzen aber ARCADIA als Methodik und Capella als das zugehörige Tool an um diese Probleme in den Griff zu bekommen. Auch wenn diese Ansätze viel mehr Möglichkeiten bieten, haben wir uns in der Angebotsphase auf die wesentlichen Punkte konzentriert:

  • Darstellung der (Komponenten-)Architektur und aller externen Kommunikationspartner (als Aktoren) auf der logischen Architekturebene
  • Darstellung der physikalischen Architektur (einschließlich eines vereinfachten Deployments der SW) auf der physikalischen Architekturebene
  • In einigen kritischen Fällen haben wir auf dieser Basis den Datenfluss und eine grobe Funktionsverteilung modelliert

Wichtige Ergebnisse waren zum Beispiel: In die physikalischen Architektur ließ sich als Eigenschaft eines Modellelements festlegen, ob dieses Element Lieferbestandteil ist oder vom Kunden gestellt wird. Da wir dies dann farblich unterschiedlich darstellen konnten, hatten wir eine gute Diskussionsbasis für Abstimmungsgespräche mit dem Kunden. Weiterhin konnten wir an einigen Stellen fehlende Komponenten infizieren, die durch Mischung von logischer und physikalischer Architektur untergegangen waren.

Natürlich bleiben auch Herausforderungen: Man darf die Zeit zur Einführung auch in einem Angebot nicht unterschätzen, daher konnten wir z. B. die Funktionsverteilung nur teilweise modellieren. Auch trifft man gerade in Angebotsteams noch mehr als in Entwicklungsteams auf den Typ vonMitarbeiter, der seine altbekannten Zeichentools liebt: „Was, ich darf nicht mit meinem Präsentationsprogramm Architekturbilder erstellen? Kann man eure kryptischen Bilder denn überhaupt lesen?“ Es zeigte sich aber, dass wenn man die Bilder ein wenig grafisch aufarbeitet, dass auch der Kunde sie durchaus gut verstehen konnte. Auch das war ein Baustein, warum wir am Ende den Auftrag gewonnen haben.

Hello World!

Manch einem Leser mag diese Art von Modellierung eher wie ein „Hello-World Beispiel“ vorkommen, doch hat sie uns geholfen: Trotz nur relativ weniger Diagramme (im Vergleich zu einem Entwicklungsprojekt) ergab sich eine einheitliche Darstellung und Methodik. Auch wenn man vieles bei dieser Größe auch ohne ein Modellierungstool erreichen kann, so führt die Methodik und das Tools das Team zu einer einheitlicheren Arbeitsweise, was auch und gerade in der hektischen Angebotsphase die Arbeit erleichtert.

Falls jemand das nochmal etwas ausführlicher sehen und hören will, hier das passende Webinar:

 

Titelfoto von Clem Onojeghuo on Unsplash
Diagramm von Michael Schäfer