Was bedeutet die Akquisition von gitHub durch Microsoft?

In IT-Foren wird es heiß diskutiert, in den Mainstream-Medien findet es kaum Beachtung: Microsoft hat gitHub gekauft, eine Plattform für Software-Entwicklungsprojekte. Das ist bemerkenswert, da gitHub eine der größten Sammlungen von Open Source-Code verwaltet. Zur Erinnerung: Microsoft war lange Zeit ein Gegner von quelloffener Software.

Warum ist dies für das Systems Engineering interessant? Weil es eine wichtige Aussage zum Thema Offenheit und Wiederverwendung macht.

Microsoft & Open Source

Das Open-Source-Betriebssystem Linux ist eines der bekannteren Open Source-Projekten. Als Betriebssystem ist es ein direkter Konkurrent von Microsoft, welches für lange Zeit das Betriebssystem Windows als Standpfeiler des Geschäftsmodells nutze.

Linux ist ein Krebsgeschwür (Microsoft-Chef Steve Balmer, 2001) Twittern

Die Aussage von Steve Balmer zu „Linux als Krebsgeschwür“ spielt darauf an, dass manche Open Source-Lizenzen die Offenlegung abgeleiteter Entwicklungen verlangen. Das ist nicht überzeugend, da es genug Alternativen gibt, die dies nicht verlangen. Letzten Endes ging es Microsoft darum, das bestehende Geschäftsmodell zu schützen. Denn dies wurde von Open Source bedroht.

gitHub ist inzwischen der größte Speicher von Open Source-Projekten, mit 28 Millionen öffentlichen Code-Repositories (nicht-öffentliche Repositories sind kostenpflichtig). Vor kurzem hat hat Microsoft angekündigt, gitHub für $7,5 Milliarden zu kaufen.

Open Source hat gewonnen!

Viele Softwareentwickler machen sich sorgen, dass dies ein Versuch von Microsoft ist, gitHub zu unterwandern, in welcher Form auch immer. Doch in Wirklichkeit ist dies ein Eingeständnis von Microsoft, dass Open Source längst gewonnen hat. Open Source ist aus moderner Technik nicht mehr wegzudenken.

Das ist für Konsumenten kaum sichtbar, aber Open Source ist das Fundament für viele Teile des Lebens: Viele Geräte mit Rechenleistung nutzen ein Linux-Basiertes Betriebssystem, wie Netzwerkrouter, Smart TVs oder Spielzeugroboter. Viele webbasierte Anwendungen benutzen einen quelloffenen Webserver, kombiniert mit einem quelloffenen Applicationserver und einer Armee von quelloffenen Bibliotheken. Der Webbrowser selbst basiert zu großen Teilen auf quelloffener Software.

Open Source ermöglicht Wiederverwendung

Und hier sind wir beim Systems Engineering: Open Source ermöglicht Wiederverwendung in einer Art und Weise, wie es mit Closed Source schwer möglich ist. Zunächst: Wiederverwendung hat viele Vorteile: Mehr Effizienz, höhere Qualität, Konsistenz, etc. Daher praktizieren Systems Engineers Wiederverwendung wann immer möglich, sowohl in der Hardware als auch in der Software.

Aber in der Software besteht bei der Wiederverwendung von Closed Source das Risiko, dass ein zukünftiger Anwendungsfall nicht umgesetzt werden kann. Dieses Risiko ist durch die Komplexität von Software höher als bei der Wiederverwendung von Hardware. Beim Einsatz von Open Source ist dieses Risiko wesentlich niedriger, denn falls Probleme erkannt werden, können diese im Quellcode korrigiert werden.

Fazit

Als Verfechter von Open Source (und Project Lead eines Open Source-Projekts) sehe ich diese Entwicklungen positiv. Es ist eine weitere Bestätigung der strategischen Bedeutung von Open Source. Ich bin optimistisch, dass Microsoft – insbesondere, nachdem die alte Generation das Ruder abgegeben hat – mit dieser Akquisition behutsam umgeht.

Bild: Flickr / Hypnotica Studios Infinite

Michael Jastram

Creator and Author of SE-Trends