MESConf Open Space: Wie KI MBSE revolutioniert und Compliance im Fokus steht
Auch auf der diesjährigen MESConf führte kein Weg a KI vorbei. Neben einer Keynote zum Thema leitete ich einen Open Space zum Thema „MBSE-Unterstützung mit KI“. Für die Teilnehmer — und alle Interessierten — hier die Ergebnisse zum Nachlesen. Um ein spannendes Thema vorweg zu nehmen: Die Teilnehmer wählten Compliance als das wichtigste Thema bezüglich des Einsatzes von KI mit MBSE.
Keynote von Jan Seyler (Festo)
Im Handwerk ist Festo für professionelle Werkzeuge beliebt und weit verbreitet. Doch auch in der Robotik hat sich Festo längst einen Namen gemacht. In seiner Keynote zeigte Jan Seyler viele inzwischen bekannte Beispiele aus dem Bereich der generativen KI. Was allerdings neu war: Er hatte zeigte auch, Ergebnisse von KI-Systemen, die älter waren. Dadurch war er in der Lage, bspw. aktuelle und ältere Bilder von Dall-E miteinander zu vergleichen. Wir konnten erkennen, dass wenige Monate einen Quantensprung in Qualität ermöglichten. Damit zeigte er anschaulich, wie rasant die Entwicklung vor sich geht.
Open Space zu KI im MBSE
In diesem Open Space wollen wir konstruktive, spezifische Ideen für den Einsatz von KI im MBSE sammeln. Die Session war mit ca. 20 Personen gut besucht.
Zunächst setzten wir uns mit der Frage auseinander, was KI überhaupt ist. Auch wenn im Moment fast nur über generative KI gesprochen wird, so gibt es doch viele unterschiedliche Techniken und Werkzeuge, die wir schnell aus dem Auge verlieren, wie Bilderkennung oder Natural Language Processing.
Doch der Schwerpunkt dieser Session sollte nicht das „Wie“, sondern das „Was“ und „Warum“ sein: Was sollte eine KI im MBSE machen und warum ist das sinnvoll?
Mit dieser Zielsetzung erstellten wir insgesamt 17 Anwendungsfälle für KI im MBSE. Die vollständige Liste ist weiter unten in der Form von abfotografierten Flipcharts zu sehen.
Nachdem wir die Liste erstellt hatten, haben wir die einzelnen Punkte in der Gruppe bewertet. Hier gab es einige interessante Ergebnisse und auch einige Überraschungen. Die Skala ging von 1 (überflüssiger Anwendungsfall) bis 10 (der absolute Hammer).



Ergebnis 1: KI für Compliance mit MBSE ist der am höchsten bewertete Anwendungsfall
Nur ein einziger Anwendungsfall erreichte zehn Punkte: Das Thema Compliance-Unterstützung. Zu diesem Thema identifizierten wir eine Anzahl von konkreten Anwendungsfällen:
- Revlevante Standards finden
- Vom Standard erforderte „Dinge“ (Anforderungen, etc.) umsetzen
- Hinweise auf für die Compliance erforderliche fehlende Elemente
- Nachweisführung (möglicherweise Teilautomatisiert
- Configuration (bspw. ob die Microkontroller ASIL-konform ausgewählt wurden)
In eigener Sache: Für unseren KI-Qualitätsassistenten Semiant haben wir schon vor längerer Zeit ein entsprechendes Konzept erarbeitet. Ich würde mich gern mit Lesern austauschen, um das Konzept zu validieren.
Ergebnis 2: „Copilot“ für MBSE :Body of Knowledge analysieren
Der KI-Assistent Copilot von gitHub ist zwar nicht so bekannt wie chatGPT, hat jedoch in der Welt der Softwareentwicklung Wellen geschlagen. Copilot programmiert auf Anweisung und setzt menschliche Sprach in Code um. Dieser Anwendungsfall wurde von den Teilnehmern mit 9 von 10 Punkten bewertet.
Copilot konnte Milliarden von Codezeilen von Open Source-Code als Lernmaterial nutzen. Ein derartig reicher Erfahrungsschatz liegt im MBSE leider nicht vor. Insofern dürfte es schwer werden, diesen Anwendungsfall in naher Zukunft umzusetzen.
Dennoch: So ein Assistent auch ohne „das Modellierungswissen der Welt“ nützlich sein, insbesondere für Unternehmen, die viel Wiederverwendung betreiben müssen. Dazu gehören Fahrzeughersteller (viele Varianten) oder Anlagenbauer (jedes Produkt ist ein kundenspezifisches Unikat).
Falls die Textnotation der SysML v2 an Popularität gewinnen sollte, könnte sogar die Benutzerobefläche ähnlich aussehen.
Ergebnis 3: Chat und Inhaltsgenerierung wenig attraktiv
Ich habe inzwischen ein halbes Dutzend Demo-Videos gesehen, in denen der Nutzer etwas beschreibt und die KI dann dazu eine Handvoll von Anforderungen generiert (Valispace, trace.space, Visure, um nur ein paar zu nennen). Dieser Anwendungsfall wurde lediglich mit 4 von 10 Punkten bewertet.
Die Antwort ist nachvollziehbar: Klar, so etwas ist beeindruckend und gibt etwas her in einer Demo, nur: (1) Es werden vergleichsweise wenig neue Anforderungen geschrieben. In der Entwicklung werden primär bestehende Anforderungen weiterentwickelt. (2) Dies funktioniert gut bei einem bekannten Produkt (bspw. einer Drohne), doch da die KI ihr Wissen aus dem Internet bezieht, dürften die Ergebnisse bei neuartigen oder exotischen Produkten eher mager sein.
Auch Chat hatte lediglich einen Score von 4 von 10, obwohl dies auch ein häufig zitierter und beeindruckender Anwendungsfall ist. Hier könnte allerdings sein, dass das Ergebnis von den Teilnehmern negativ beeinflusst wurde: Schließlich waren alle Anwesende Modellierungsexperten. Ich könnte mir vorstellen, dass Chat bei Entscheidern oder Support-Mitarbeitern wesentlich besser abschneiden würde.
Fazit: Zwei Kandidaten für die Killer-App von KI im MBSE
Die restlichen Anwendungsfälle tummelten sich dazwischen mit Scores zwischen 5 und 8 Punkten, ohne größere Auffälligkeiten.
Ich bin sicher, dass wir in den nächsten Jahren spannende Entwicklungen beim Einsatz von KI mit MBSE sehen werden. Ob dabei ein „Copilot für MBSE“ herauskommt ist eine große Frage, aber im Bereich Compliance wird sich sicher einiges tun. Ich werde weiter darüber berichten.
Bild: Maximilian Willert