Systems Engineering Trends

Jede Woche Neuigkeiten aus der Welt des Systems Engineering

Funktionale SicherheitMedizintechnik

Recalls bei medizintechnischen Geräten – ein Qualitätsproblem

Wenn es um Systeme funktionaler Sicherheit geht, dann ist Qualität kritisch: Es stehen nicht nur hohe Investitionen auf dem Spiel, auch Gefahr für Leib und Leben. Weiterhin kann so ein Vorfall die Existenz eines Unternehmens gefährden. Steigende Komplexität in Systemen führt zu steigenden Qualitätsproblemen. Um nur ein Beispiel zu nennen: Die Anzahl der Recalls von medizinischen Geräten ist in einem Zweijahreszeitraum um 71% gestiegen. Und das ist noch nicht alles.

Laut Qualio wurden 2016 und 2017 durchschnittlich ca. 60 Millionen medizintechnischer Geräte pro Quartal zurückgerufen. Doch in 2018 und 2019 hat sich dieser Wert auf knapp 100 Millionen Recalls pro Quartal erhöht. Diese Zahl bezieht sich allerdings nur auf die USA. Weiterhin unterliegt die Statistik starken Schwankungen, wie in den Rohdaten zu sehen ist:

Statistic: Number of medical device recalls in the U.S. from Q3 2015 to Q2 2019 (in million units)* | Statista
Find more statistics at Statista

Der Außreißer in Q1 2018 ist übrigens nicht auf ein einzelnes Produkt zurückzuführen. Auch wenn die Werte später wieder sanken, gibt es keinen Grund zur Entwarnung.

Software der Hauptgrund für Recalls

Nicht wirklich überraschend ist die Tatsache, dass Software in vielen Fällen der Grund für den Recall ist. (Siehe zum Beispiel das Medtronic-PR-Desaster.) Mit 23% ist dies allerdings nur knapp der häufigste Grund, dicht gefolgt von falschen Beschriftungen (21%).

Recalls müssen nicht groß sein. Zum Beispiel gibt es in den USA etwa einen Rückruf alle fünf Tage, was auf viele kleine Recalls hinweist, und nicht wenige große.

Mehr Bedrohungen für das Leben

Auch die Schärfe der Recalls ist gestiegen. In den USA werden Rückrufe in Klassen I-III unterteilt. Bei Klasse I besteht ernsthafte Gefahr für Gesundheit und Leben. Die Anzahl der Klasse I-Recalls ist von 2017 bis 2018 um knapp 10% gestiegen.

Was tun?

Sicherlich macht es Sinn, in Qualitätssicherung zu investieren. Ein erster Schritt ist hierbei, Complianceanforderungen zu verstehen und korrekt umzusetzen. In Europa ist zum Beispiel MDR (Medical Device Regulation) ein aktuelles Thema. Diese EU-Verordnung muss bis spätestens Mai 2021 umgesetzt werden. Es gibt jedoch keinen Grund damit zu warten – schließlich wurde MDR schon 2017 verabschiedet.

Aber selbst die beste Qualitätssicherung kann nicht immer alle Probleme rechtzeitig erkennen und lösen. Daher auch hier die Empfehlung, jederzeit in der Lage zu sein, einen Recall schnell und zügig umzusetzen. Dazu gehört zum Beispiel, Lieferanten, Kunden und Produkte kontinuierlich zu tracken. Denn hier gilt das selbe wie bei Backups: Wir hoffen, dass wir sie nie brauchen werden, sollten aber immer auf das Schlimmste vorbereitet sein.

Photo by Natanael Melchor on Unsplash

Michael Jastram

Creator and Author of SE-Trends