Die magischen Zahlen 1, 3 und 7
In diesem Gastbeitrag schließt Carsten Pitz den Kreis zu seinen bisherigen Veröffentlichungen bei SE-Trends. Unter anderem beschreibt er die Gefahren, sich mehr als einem Thema gleichzeitig zu widmen, und die Limitationen des menschlichen Gehirns, und wie man damit umgeht. Was das mit Systems Engineering zu tun hat? Nur, wenn man diese Prinzipien berücksichtigt, kann Systeme sinnvoll herunterbrechen. Viel Spaß beim Lesen.
Gastbeitrag von Carsten Pitz
Im dritten und letzten Teil meiner Vorstellung nutze ich meine Chance die Leserschaft mit meiner persönlichen Einstellung zu den magischen Zahlen 1, 3 und 7 zu langweilen. Meine folgenden Gastbeiträge – versprochen ist versprochen – gehen dann in medias res.
Der Grund, weshalb ich meine Vorstellung in 3 Teile aufgeteilt habe und den mittleren Teil für das anspruchsvollste Thema genutzt habe erläutere ich, sobald die Zahl 3 an der Reihe ist.
Was macht die Zahlen 1, 3 und 7 magisch?
Alle der drei Zahlen 1, 3 und 7 sind Grenzen, sind häufig missachtete kognitive Grenzen von Menschen. Die Bedeutung dieser Grenzen hat mir die Kurzgeschichte „The emperors‘ old clothes“ von C.A.R. Hoare klar gemacht, in Verbindung mit meinen Erfahrungen mit den Programmiersprachen ALGOL und Oberon. (Natürlich ist die Geschichte nicht zu verwechseln mit dem Kindermärchen über die neuen Kleider.)
ALGOL missachtet die kognitive Grenzen von Menschen, Oberon beachtet diese. ALGOL ist äußerst schwer zu erlernen. Derart schwer, dass Niklaus Wirth Pascal als Lehrsprache zur Einführung in die ALGOL Programmierung entworfen hat. Selbst nach längerer Nutzung von ALGOL musste ich immer wieder die Syntax seltener genutzter Sprachelemente nachschlagen. Die Syntax von Oberon hingegen hatte ich innerhalb eines einzigen Tages verinnerlicht.
Um es kurz zu fassen, die Aussage hinter der Kurzgeschichte ist: You can not implement, what you do not understand.
You can not implement, what you do not understand (C.A.R. Hoare)
Twittern
Und genau darum geht es in diesem dritten Teil meiner kurzen Vorstellung: Wie mache ich anderen und auch anderen Sachverhalte verständlich?
Die Zahl 1
Zu dieser Zahl gibt es viele Sprichwörter. Wir Deutschen sagen „Ein Ding nach dem Anderen“, die Anglsachsen sagen „One idea at a time.“ Dem Volksmund ist die durch die Zahl 1 ausgedrückte kognitive Grenze von Menschen bekannt. Ein Mensch kann zu einer Zeit nur einen Themenkomplex erfassen oder bearbeiten.
In meiner Vorstellung habe ich drei Themenkomplexe behandelt: Objektorientierung, Papyrus und die magischen Zahlen. Die drei Themenkomplexe sind zu unterschiedlich, um zusammengefasst zu werden. Zudem hätte ein Zusammenfassen andere kognitive Grenze von Menschen missachtet.
Die Zahl 3
„Aller guten Dinge sind drei“ sagt der Deutsche Volksmund. Nett, aber was sagt dies aus? Schauen wir uns einfach mal um:
- Beim Ikebana (japanisch 生け花 auch いけばな, wörtlich „lebende Blumen“) sind häufig 3 Elemente miteinander in Relation gesetzt. Auch im Pflanzenreich selbst kommt die zu 3 häufig vor.
- Steve Jobs hat immer genau 3 Produkte vorgestellt, auch als er nur das iPhone vorstellte
- Abkürzungen mit 3 Buchstaben sind besonders beliebt (z.B. UML ;-))
Die Zahl 3 hat für mich folgende zwei Aspekte: Erstens wird eine 3er-Anordnung allgemein als ästhetisch und schön empfunden, zweitens kann der Mensch ad hoc zwischen 3 Optionen wählen, sozusagen aus dem Bauch heraus. Zwei Optionen werden zumeist als zu geringe Auswahl empfunden, ab vier werden schon Kriterienkataloge notwendig.
Doch häufig höre ich den Einwand: „Was zum Teufel hat unser Business mit Ästhetik zu tun?“. Nun, ein Mensch ist eher bereit etwas Schönes zu betrachten als etwas Hässliches. Schöne Dinge finden mehr Beachtung, mehr Aufmerksamkeit. In schöne Dinge wird mehr Zeit investiert.
Ich hatte versprochen hier erläutern, weshalb ich – wenn möglich – das komplexeste Thema in die Mitte setzte. Zum einen ist dies gut für den erzählerischen Spannungsbogen. Zum Anderen ist das Publikum in der Mitte schon wach aber noch nicht müde. Entsprechend setze ich – wenn es eben geht – das einfachste Thema ans Ende.
Die Zahl 7
Die Zahl 7 verwende ich in der Bedeutung der Miller‘schen Zahl. Kurz zusammengefasst: Ein Mensch kann nur etwa sieben Informationseinheiten gleichzeitig im Kurzzeitgedächtnis präsent halten.Das lässt sich auch durch Training nicht ändern. Daher hatte ich auch in der XING-Gruppe „Besser präsentieren“ geschrieben:
Wenn ich ein Konzept erstelle, das mehr als drei Hierarchiestufen oder mehr als sieben Elemente pro in sich abgeschlossene, atomare Komponente (=Diagramm)
benötigt, dann ist das Konzept für die Tonne und es heißt: Zurück auf StartTwittern
Dieser Post drückt recht prägnant meine Verwendung der Grenzen 3 und 7 auf.
In der zitierten Diskussion setzt Peter Claus Lamprecht sogar die 4 (statt 7) als die Grenze. Nach meiner Erfahrung können wir jedoch im Systems Engineering durchaus mit der 7 als Grenze arbeiten.
Zum Endspurt nun die Frage: „Wie erreiche ich dies?“
Divide Et Impera
„Teile und Herrsche“ – so alt dieses Prinzip ist, so häufig wird es vergessen. Im Systems Engineering kann dies auf zweierlei Arten realisiert werden:
Schnittstellen sind ein wichtiges Werkzeug zum Herunterbrechen. Diese sollten immer aus Sicht des Providers modellieren werden. Dazu können sie fachlich, nach Rollen aufgeteilt werden (bspw. Verwalter, Erzeuger, Verbraucher, Anwender). Zur Not können diese auch zusätzlich nach weiteren Kriterien aufteilen werden, bspw. Verwalter + Life Cycle (Initialisierung, Wartung) und Erzeuger + Aktion (port open/close, object send).
Untersysteme sind ein weiteres Werkzeug zum Herunterbrechen. Zu große Systeme sollten aufgeteilt werden, bzw. die Aufgabe des Untersystems sollte überdacht und bei Bedarf neu definiert werden.
Systeme und Untersysteme sollten hierarchisch strukturiert werden (über so viele Ebenen wie nötig). Dazu werden in sich geschlossene Teilaufgaben ausgegliedert, indem Untersysteme gebildet und (interne) Schnittstellen definiert werden.
Ich sage Danke
Vielen Dank an alle, die mir bis hier gefolgt sind.
In der Planung befinden sich aktuell die Themen Century Support (Langzeitwartbarkeit) Traceability (Nachverfolgbarkeit), sowie die Modellierung von fachlichen Anforderungen. Über Feedback im Kommentarbereich freue ich mich!