INCOSE Systems Engineering Vision 2020: Wo sind wir angekommen?
Vor 13 Jahren, im September 2007, veröffentlichte die INCOSE die „INCOSE Systems Engineering Vision 2020“. Über diese Vision wird wenig geredet, da INCOSE inzwischen die Vision 2025 veröffentlicht hat. Aber da wir ja nun das Jahr 2020 haben, ist dies eine gute Gelegenheit zu untersuchen, inwieweit sich die Vision erfüllt hat.
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Zur Erinnerung, in 2007 wurde das iPhone auf den Markt gebracht. Das Konzept eines Smartphones war zu dem Zeitpunkt völlig unbekannt. Im selben Jahr nahm gitHub den Betrieb auf und gab damit Open Source einen enormen Schub. Rückblickend befand sich die Welt in 2007 schon in einer enormen Transsformation die sich seitdem eher noch beschleunigt hat.
Warum eine Vision?
Die Autoren der INCOSE Vision 2020 (PDF) gaben sich nicht der Illusion hin, Die Richtung der Veränderung vorschreiben zu können. Das Ziel war eher, die für das Systems Engineering relevanten Trends zu erkennen und positive Trends zu verstärken und zu beschleunigen (und negative zu bremsen). Allein die wichtigen Trends zu benennen unterstützt Entscheider, sich auch ohne Absprache in die Selbe Richtung zu bewegen:
[The INCOSE Systems Engineering Vision 2020] has been written particularly to support the collaboration of the visionary leaders and pioneers in industry, academia, and government“
Introduction of the INCOSE Systems Engineering Vision 2020
Im ersten Teil untersuchen die Autoren den Stand der Entwicklung, sowie Treiber und Bremser. Die eigentliche Vision betrifft fünf Bereiche, die ich gleich vorstellen werde. Abgeschlossen wird die Vision mit einer Analyse der Implikationen aus den Trends und wie Entscheider die positiven Aspekte für das Systems Engineering vorantreiben können.
1. Global Systems Engineering Environment
INCOSE ging davon aus, dass Systems Engineering das Fundament für die globale verteilte Entwicklung von komplexen Systemen sein wird. Dazu gehört unter anderem, dass es einen globalen, vereinheitlichten Standard für das Systems Engineering gibt.
Zu diesem Ziel hat die INCOSE maßgeblich beigetragen, zum Beispiel durch das Vorantreiben von Standards wie ISO 15288 und den entsprechenden Schulungen und Zertifizierungen.
2. Systems and their Nature
Bei diesem Thema geht es um die steigende Verknüpfung von Systemen, auf technischer, geographischer Ebene und vielen anderen. Dadurch bekommt die Architektur einen höheren Stellenwert, da diese die Robustheit der Systeme gewährleisten muss. Schon in 2007 haben die Autoren vorhergesagt, dass der Umgang Systemintelligenz eine Herausforderung sein wird.
Auch bei diesem Thema lagen die Autoren richtig: Ein spannender Aspekt in der heutigen Zeit ist die Frage, wer die Architektur besitzt und/oder kontrolliert. In manchen Bereichen sind offene Standards enorm erfolgreich. In anderen Bereichen beherrschen Konzerne die Architekturen, was zu Interessenskonflikten führen kann.
3. Systems Engineering Processes
Ohne es wirklich auszusprechen suggerieren die Autoren, dass Prozesse wesentlich agiler werden. Auch das kann ich bestätigen, das Interesse an Agilität, nicht nur im Systems Engineering, ebbt nicht ab.
Meines Erachtens ist dies ein Bereich, in dem viele Organisationen noch enorm aufholen müssen. Im Umkehrschluss bedeutet das auch, dass Teams, die Agilität wirklich durchdrungen haben, einen enormen Wettbewerbsvorteil haben. Gute Beispiele dafür sind SpaceX und Wikispeed (Automotive).
4. Model-Based Systems Engineering
Mit MBSE setze ich mich in diesem Blog ja viel auseinander. Insofern lag die INCOSE Systems Engineering Vision 2020 hier goldrichtig: MBSE ist ein mächtiger Enabler, der beiträgt, die Komplexität von modernen Systemen zu beherrschen.
Leider gibt es im MBSE immer noch enorme Defizite: Insbesondere hat sich MBSE noch längst nicht durchgängig etabliert sondern wird oft nur in kleinen Teilbereichen angewendet. Hier gibt es noch viel zu tun.
5. Systems Engineering Education
Wie schon unter Punkt 1 erwähnt etabliert sich die INCOSE intensiv im Bereich Weiterbildung. Hier haben die Autoren richtig erkannt, dass eine einheitliche Ausbildung das Fundament für erfolgreiches Systems Engineering ist.
Positiv zu bemerken ist, dass das Thema auch längst außerhalb der INCOSE angekommen ist: Viele Institute bieten inzwischen Möglichkeiten der Weiterbildung an, oft in Zusammenarbeit mit der Industrie. In Deutschland engagiert sich OOSE stark in diesem Bereich. Allerdings ist der Beruf Systems Engineer immer noch nicht sonderlich bekannt. Hier gibt es nach wie vor viel zu tun.
Vision 2025
Wie ich eingangs sagte, ist die INCOSE Systems Engineering Vision 2020 längst überholt. Während die Vision 2020 an ein schnödes Worddokument erinnert, so ist die Vision 2025 professionell mit vielen Grafiken und in Farbe produziert und man spürt den Drang, das PDF als Hochglanzbroschüre in der Hand halten zu wollen. Das mag oberflächlich klingen, doch ist so ein Erscheinungsbild wichtig, um die Zielgruppe zu erreichen: Führungspersonen, die Systems Engineering im Detail gar nicht verstehen wollen, aber die Vorteile für ihre Organisationen daraus ziehen wollen.
Bildquelle: INCOSE Systems Engineering Vision 2020