TdSE-Vortrag: KI als Vermittler zwischen Mensch und Systemmodell
Systemmodellierung hat großes Potential, die steigende Komplexität in der Produktentwicklung in den Griff zu bekommen. Doch die Akzeptanz in der Industrie ist eher moderat. Das liegt unter anderem daran, dass eine relativ hohe Vorabinvestition erforderlich ist, im Gegensatz zum klassischen, textbasierten Systems Engineering. Außerdem lehnen viele Stakeholder die relativ formalen Notationen (egal ob grafisch oder textuell) ab.
Hier hat künstliche Intelligenz enormes Potential, zwischen dem Mensch und dem Systemmodell zu vermitteln: Zu erkennen, wenn Anforderungen dem Systemmodell widersprechen, Lücken zu finden (und zu füllen) und vieles mehr.
Wie das aussehen könnte und was wir kurz- mittel- und langfristig erwarten sollten, stelle ich in meinem Vortrag beim Tag des Systems Engineering am 16. November in Würzburg vor. Im folgenden eine kurze Übersicht über den Inhalt meines Vortrags.
Treffen beim TdSE?
Vorweg: Ich freue mich schon, mich in ein paar Wochen wieder mit Freunden und Kollegen über das Systems Engineering beim jährlichen Tag des Systems Engineering (TdSE) der GfSE auszutauschen. Falls Du auch teilnimmst, würde ich mich gern mit Dir dort verabreden!
KI: Ein Wegbegleiter für MBSE
Gleich vorweg: Das Thema MBSE mit KI behandle ich in diesem Blog nicht zum ersten Mal. Insbesondere die folgenden zwei Artikel gehen in eine ähnliche Richtung wie das, was ich beim TdSE behandeln werde:
KI muss Vermittler sein, nicht nur Automatisierer
Im Gegensatz zu den älteren SE-Trends-Artikeln geht es in diesem Vortrag um die Vermittlerrolle der KI und wie wir diese stufenweise etablieren können. Insbesondere fehlt bei vielen KI-basierten Werkzeugen im Markt die langfristige Sicht. Statt dessen werden oft nur kleine Anwendungsfälle mit KI unterstützt, wie bspw. das Erstellen von einem initialen Satz Anforderungen (nicht jedoch das Pflegen der Anforderungen). Viele Unternehmen argumentieren auch, dass ein rein textbasierter Ansatz ausreicht, um Systems Engineering effektiv zu unterstützen. Eine systematische Betrachtung zeigt aber bereits, dass das Potenzial begrenzt ist.
Um diese Grenzen einer Anwendung von KI im Systems Engineering zu durchbrechen, ist ein rein textbasierter Ansatz nicht ausreichend: Wir müssen ein Systemmodell in die Betrachtung einbeziehen.
In 4 Stufen vom Assistent zum Vermittler
In meinem Vortrag argumentiere ich, dass wir eine Strategie brauchen, um aus KI mehr als einen hilfreichen Automatisierungs-Assistenten zu machen:
- Stufe 1: Eine gemeinsame Sprache — Ein präziser Austausch zwischen Mensch und KI erfordert eine gemeinsame Sprache. Die primitivste Form einer gemeinsamen Sprache ist ein Glossar, welches mittelfristig in ein vollständiges Domänenmodell ausgebaut werden muss. Hier können wir uns an Notationen wie der SysML orientieren oder auch Strukturen für Ontologien nutzen.
- Stufe 2: Relationen — Traceability hat im Systems Engineering eine essentielle Bedeutung und ermöglicht viele andere Anwendungsfälle. Leider sind viele Aktivitäten bezüglich Traceability eher monoton. Hier ist KI in der Praxis auch schon im Einsatz. Doch mit einer vernünftigen Strategie und der Kombination mit einer komplementären Domänenmodellierung können wir hier bisher nicht realisierte Effizienzgewinne realisieren. Außerdem sind Beziehungen auch essentiell für die nächste Stufe:
- Stufe 3: Verhalten — Bei fast allen komplexen Systemen ist das Systemverhalten der wichtigste (und schwierigste) Aspekt der Entwicklung. Doch Verhalten können wir erst formal korrekt beschreiben, wenn wir eine gemeinsame Sprache haben und wissen, wie die Entitäten zueinander im Bezug stehen.
- Stufe 4: Spezifische Erweiterungen — Mit dem bisher Beschriebenen haben wir schon einen großen Teil unseres System mit der Hilfe von KI in den Griff bekommen. Ab diesem Punkt werden sich die Einsatzbereiche Je nach Domäne und Problem unterscheiden. Wir werden nach Bedarf Aspekte wie Parametrisierung, Qualitätseigenschaften und vieles mehr in das Modell aufnehmen.
Das klingt schön in der Theorie. Im TdSE-Vortrag werde ich auf die verschiedenen Themenbereiche eingehen und die KI-Technologien, welche in diesen Themengebieten Anwendung finden. Weiterhin beschreibe ich mögliche Architekturen, auf denen eine KI-basierte Produktentwicklungsstrategie basieren kann.
Fazit
ChatGPT auf ein paar Spezifikationen losgehen zu lassen reicht nicht aus! Damit können wir vielleicht die eine oder andere Aktivität etwas effizienter gestalten, werden jedoch keinen Quantensprung in der Produktivität ermöglichen können. In diesem Vortrag versuche ich, einen Grundstein für eine langfristige KI-Strategie im Systems Engineering zu legen.
Die hier gezeigten Ideen validiere ich aktuell mit Industriekunden, die meinen Qualitätsassistenten Semiant im Einsatz haben.